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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen
Autoren: Minelli Michele
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Moment ihrer Verweigerung. Sie widersetzte sich, und sie blieb kalt und gefühllos wie eine schiefgeratene und aus der Kollektion ausgesonderte Puppe unter ihm liegen, als er irgendetwas, einen Finger?, nein, zu groß, zu anders, was war es dann?, in sie einführte und mit regelmäßigen Bewegungen und röchelnden Atembemühungen sich ihrem knochigen Körper entlang aufrieb. Als ihre Beine seinen Oberschenkeln Weg geben wollten, weigerte sie sich aufgrund eines Impulses, wie von einer sehr starken, sehr harten und sehr unnachgiebigen Feder zurückgehalten. Und als ihr ein plötzliches Stöhnen aus der Kehle entfuhr, wieso ist mein Mund geöffnet, wieso?, hätte sie sich selbst nur zu gerne der Hölle übergeben, wenn dieser Schmach von Selbstverlust dadurch ein Ende hätte bereitet werden können.
    … Lazzaro war jetzt wieder Herr seiner Sinne, er spürte das zögerliche Kommen und Gehen von wohligen Empfindungen, die er seiner Frau durch seines eigenen Körpers Kraft bescheren konnte. Er spürte ihren Kampf, und erspürte den seinen. Wenn er ihr doch nur ein bisschen Beglückung, ein bisschen Freude in ihr trauriges verschlossenes Leben bringen konnte, er wusste, dass das möglich war. Die Mädchen, die er in La Spezia, Genua und Viareggio besucht hatte, hatten es ihm allesamt lustvoll kichernd bezeugt, er war ein ganzer Mann, was das anbelangte, diese Sache war mehrfach erprobt und unbestritten. Es gab ja sogar Mädchen, die weitere Besuche speziell erbaten, wenn er sie seiner Reisen wegen verlassen musste. Und er wusste, wusste einfach, dass diese Freude an der Kraft, die seine schmalen Lenden hervorbrachten, keine geheuchelte war.
    … Dass sich Männer und Frauen küssten, kannte Costanza aus eigenen verstohlenen Beobachtungen. Dass dabei aber die männliche Zunge in den weiblichen Mund witscht, war ihr neu und entsetzlich fremd. Wie abartig, wie tierisch, Lazzaro war plötzlich einfach überall in ihr drin, seine Finger in ihren Ohren, in ihrer Halsmulde, ihrem Nabel, ihrem … ach!, und unten, was immer das war, was er da mit zu ihr ins Bett gebracht hatte oder was an seinem schändlichen Körper klebte, es pulsierte in ihr mit einem Eigenleben, so als wollte es etwas aus ihr heraushämmern. Mit überquellender Kraft.
    … Lazzaro kannte nun kein Zurück mehr, das Kopfteil des Bettes rumste gegen die Wand, und er wusste, dass er seine Frau mit seiner Leidenschaft nun entweder für sich gewinnen – oder ganz verlieren würde. Seine Zunge erforschte ihren Körper und fand immer wieder, wie um Bestätigung heischend, zurück in ihren Mund. Ihr Speichel schmeckte süß wie Rosenduft, ihre Achselbüschel rau und unerforscht, ihr Nabel tief wie das weite Meer.
    Als er sich wie in einem letzten Beweiszug vor Gericht aufbäumte und sich mit zwei, drei festen Stößen in ihr ergoss, blieb Costanza steif und fischblütig unter ihm liegen; sie wusste instinktiv, dass sie ihn damit besiegt hatte.

Alžbeta
    Kassa, 1859
    »Aber ich habe es gehört, sie hat es ganz deutlich gesagt!« »Ach, Franta, was genau betrübt dich so? Ist sie denn nicht wunderbar, die Liebe?« Alžbeta zupfte an einem Strauß blauer Kornblumen herum und steckte zwei, drei Klatschmohnstängel dazu. Dann setzte sie sich auf die Fensterbank und ließ die schweren nachtblauen Vorhänge herunter und verdunkelte den Raum. Sie tätschelte den freien Platz neben sich mit der flachen, morgendlich unberingten Hand und wies ihren Posticheur damit an, sich neben sie hinzusetzen.
    »Die werden aber nicht lang halten. Mohn braucht lockeres Erdreich, keine Überschwemmungen.«
    »Ach, Franta, was bist du wieder ungezogen!« Sie liebte es, dieserart mit ihm zu tändeln, so als wäre er ihr Kind. Und fürwahr, es ließ sich ja nicht leugnen, dass Alžbeta Csöke, letzte der sieben Töchter des Grafenhauses Csöke in Kassa, mit ihren bald neunundzwanzig Jahren noch immer unverheiratet, doch schon recht alt war. Mutter könnte sie selbst längst sein, gar Großmutter, so alt war sie. Und störrisch, was das betraf, wie ein Esel. Aber man ließ sie lieber gewähren in ihrer Eigensucht, anstatt sich blaue Male zu holen. Alžbeta galt als unberechenbar. Nicht selten schützten sich ihre Zofen und Kammerdiener, ja selbst die eigene Mutter mit aufgeworfenen Händen und Armen gegen einen Schuh, einen Kamm, ein Buch, die nacheinander geflogen kamen. Was Alžbeta nicht wollte, tat sie nicht. Und umgekehrt hielt sie es genauso. Ein verzogenes Kind, könnte man meinen,aber er
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