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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen
Autoren: Georgi Martynow
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wiederholt.
    Inzwischen ging ein Monat nach dem anderen unbemerkt vorbei. Von außen betrachtet erschien er tot. Das Leben, das tief in seinem Inneren glomm, war von außen auf keine Weise festzustellen. Dennoch erwachte es, wenn auch äußerst langsam und unsichtbar für diejenigen, die sich neben ihm befinden könnten, hartnäckig immer weiter.
    Und einmal, nach einem weiteren erfolglosen Versuch, sich zu bewegen, hatte er plötzlich den Gedanken: >Was geschieht mit mir?<
    Er nahm an, dass er jetzt völlig aufgewacht war - doch es war nicht so. Er bemerkte keine der langen Bewussdosigkeitsperioden, in die er immer wieder fiel. Sein Verstand nahm seine Arbeit an der Stelle wieder auf, an der er aufgehört hatte, und er meinte, er würde ununterbrochen denken. Als er sich komplett davon überzeugt hatte, dass er sich nicht bewegen konnte, wurde er von einer undeutlichen Angst gepackt. Er hatte seine Lage klar begriffen - sein Körper gehorchte nicht seinem Geist. >Also, was ist das nun?<, dachte er, jetzt fast vollkommen klar. >Eine komplette Lähmung oder die letzten Gefühle vor dem Tod?<
    Er wusste, dass seine Gedanken mit jeder Minute klarer wurden. Zwar war das, was er als eine Minute empfand, eine sehr lange Zeitspanne, aber das änderte nichts daran. Vor dem Tod müsste es eigentlich genau umgekehrt ablaufen. Also konnte es nur die komplette Lähmung sein. Sein ganzer Körper war
    paralysiert. Nur die Fähigkeiten, zu denken und zu hören waren ihm geblieben. Er erinnerte sich so gut an das Geräusch, das ihm das Gefühl gegeben hatte, wieder zu leben, als wäre dieses erst vor einer Sekunde ertönt, aber an den Charakter dieses Geräuschs konnte er sich nach wie vor nicht erinnern.
    In den wachen Phasen lauschte er immer wieder, versuchte, auch das geringste Rauschen aufzufangen, aber die Stille, die ihn umgab, war absolut. Und jetzt war er sich auch vollkommen sicher, dass das, was seine Gehörorgane seinem Gehirn vermittelten, richtig war. Jetzt war es zwar zweifellos still, aber vorher hatte es ein Geräusch gegeben - daran hatte er ebenfalls keine Zweifel. Dennoch dachte er einmal: >Vielleicht, hab ich mir nur eingebildet, etwas gehört zu haben?<, und wurde sofort von einer viel stärkeren Angst übermannt. Das Geräusch war das Leben, es war der Beweis für die Existenz von etwas in seiner Nähe. Die Abwesenheit jeglicher Geräusche bedeutete komplette Einsamkeit.
    >Vielleicht liege ich in einem Sarg und bin lebendig begrabend
    Die Angst wurde noch stärker und als Ergebnis davon arbeitete sein Verstand noch besser. Ohne sich selbst des wohltuenden Prozesses bewusst zu sein, half er seinem Verstand mit seinen Ängsten, seiner Beunruhigung und seiner Verwirrtheit, welche bewirkten, dass er mehr und mehr aufwachte. Sein Denken war jetzt fast vollkommen deutlich und klar. Aber nach wie vor fiel er immer wieder für lange Zeit in die Bewusstlosigkeit und konnte es nicht bemerken.
    Einmal hörte er wieder irgendwelche Geräusche.
    Er wollte den Atem anhalten, um sie besser zu hören ... und stellte plötzlich fest, dass er nicht atmete.
    Zuerst wollte er seinen eigenen Gefühlen nicht trauen, überzeugte sich aber bald davon, dass seine Atmung tatsächlich nicht vorhanden war. Diese unmögliche, unvorstellbare Entdeckung brachte sein ganzes Denken vollkommen durcheinander. Er war doch am Leben! Er konnte denken, er hörte und fühlte und war sich seiner Bewegungslosigkeit absolut bewusst. Wie konnte das alles sein, wenn er nicht atmete? War das vielleicht ein Traum? Er erinnerte sich, dass er Schmerzen gespürt hatte, als er versuchte, die Augen zu öffnen und wiederholte diesen Versuch sofort. Er spürte wieder den Schmerz, diesmal irgendwo hinter den Augen. Also schlief er nicht - im Schlaf spürte man keine Schmerzen. Das alles war Wirklichkeit.
    Aber was hatte es dann zu bedeuten?!
    Er erinnerte sich an die neuen Geräusche. Diese waren in den Sekunden, die er brauchte, um sich über den neuen Umstand seiner Lage klar zu werden, nicht verstummt. Er konnte sie gut hören und erkannte diesmal deutlich die Schritte eines Menschen. Sie kamen näher und wurden noch deutlicher. Jemand kam näher und blieb ganz in seiner Nähe stehen ... Dann war ein kurzer Aufschrei zu hören, und die Schritte entfernten sich schnell wieder. Es wurde wieder vollkommen still.
    Diesmal war er wegen der Stille nicht erschrocken, sondern erleichtert. Was immer das alles auch bedeuten mochte — auf jeden Fall war er nicht allein.
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