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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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nicht in Kheldrin, und hier gibt es andere Götter. Ich werde keine unwillkommene Anwesenheit in diesem Land heraufbeschwören.«
    »Sie sind nicht fortgegangen, an’sen’thar «, erklärte al’Tamar unvermittelt. »Sie sind in uns – wie all die Dinge, welche dahinscheiden. Nichts ist vollständig verschwunden. Die Alten Götter schlafen, bis ihre Zeit wiederkehrt.«
    Er hatte das Gold aus Angharas eigener Hand verliehen bekommen. Jetzt war er mit der Priesterin gleichrangig, vor deren Aufmerksamkeit seine Familie ihn einst listenreich versteckt hatte. Er blickte ihr fest in die Augen, und es war ai’Farra, die wegschaute – al’Tamar war kein Junge mehr.
    Die Nachricht vom Eintreffen der Delegation aus Kheldrin verbreitete sich schnell – Angharas Gäste wurden von Dienern mit großen Augen in ihre Gemächer geleitet, die keine Zeit verloren, den Klatsch weiterzutragen. Man hatte den Kheldrini jegliche Bewegungsfreiheit in der Festung zugestanden, aber die blanke Neugier des Hofes setzte dieser Freiheit natürliche Grenzen. Zu lange hatte sich die Erfahrung Miraneis mit den Kheldrini auf gelegentliche Händler mit Seide, dun’en und die Pferdeknechte beschränkt, die zurückblieben, um für die edlen Wüstentiere zu sorgen. Zwar war sofort offensichtlich, dass Angharas Gäste keiner dieser Gruppen angehörten, aber es gab doch etliche am Hof, die alle »Khelsies« als Diener ansahen. Allerdings war es unmöglich, al’Jezraals ruhige Würde und ai’Farras Stolz zu ignorieren. Es war schwierig zu sagen, wer größeren Schaden anrichtete – diejenigen, die herumscharwenzelten, um zu gaffen, oder die, welche Abstand vorzogen, wohl wissend, dass ihre selbstherrliche Haltung sowohl die Kheldrini als auch die Königin ärgerte. Einige wenige versuchten sich wirklich zu nähern, aber im Großen und Ganzen fanden die Besucher, es sei besser, unter sich zu bleiben und dem Hof Miraneis Zeit zu geben, sich an ihre Gegenwart zu gewöhnen.
    Anghara war sich über die Situation im Klaren und wusste, dass die Kheldrini lieber direkte Begegnungen mit den Einheimischen vermieden. Wahrscheinlich war das unvermeidlich, wenn man an die uralte Kluft dachte, die zwischen den beiden Ländern existierte. Doch die Überbrückung dieser Kluft war ein Grund, weshalb sie die Kheldrini eingeladen hatte. Man hatte ihr die Chance gegeben, ein Teil der Welt Kheldrins zu werden. Jetzt wollte sie, dass sie auch ein Teil ihrer wurden. Sie gab sich besondere Mühe, sich von lästigen Pflichten zu befreien und mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Als al’Jezaar eine angebotene Besichtigung der Verteidigungsanlagen der Festung unter dem Vorwand ablehnte, die kalte Luft würde seine Lunge reizen, blieb auch ai’Farra beim Sa’id . Nur al’Tamar wollte mitgehen. So war er allein mit Anghara auf der Brustwehr, lehnte sich auf die Schießscharten und blickte auf die Reihen der schneebedeckten Berge.
    »In der Nacht, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, hast du von einem See erzählt, irgendwo in den Bergen, in der Nähe der Festung, der von einer heißen Quelle gespeist wird.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Anghara. Sie rief sich die unglaubliche Freude zurück, als die Palmen der Fihra Hai’r, der ersten Oase in der Kadun Khaji’i’id vor dem Sonnenuntergang in Sicht kamen, nachdem sie die brütende Hitze der Schwarzen Wüste durchgestanden hatten; das sinnliche Gefühl des kostbaren Wassers, das über ihre ausgetrocknete Haut rann. Und die Erinnerung an jenem ausgedörrten Ort an Miraneis Bergsee – wo sie in vergangenen Sommern gebadet hatte, da der See von heißen Quellen erwärmt wurde. Und dann waren in der Nacht drei Reiter gekommen ...
    »Ich würde ihn gern sehen«, sagte al’Tamar und riss sie aus ihren Träumen.
    »Jetzt?«, fragte Anghara fassungslos. »Es ist Winter. Selbst wenn der Weg durch den ersten Schnee noch begehbar ist, sieht man um diese Jahreszeit fast nichts.«
    »Wasser ist in jeder Jahreszeit heilig.«
    »Aber im Winter?«, meinte Anghara verblüfft.
    »Ich möchte trotzdem den See sehen«, wiederholte er. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich in Sheriha’drin bin – aber du hast mich hergeholt, wie du versprochen hast. Und jetzt, in diesem fremden Land ... es ist der Weg, es ist, was du Zweites Gesicht nennst, das mich antreibt, diesen See zu sehen. Dort ist etwas, das sehr wichtig ist, aber ich kann es nicht deutlich sehen ...«
    Anghara blickte ihn kurz an, dann nickte sie. »Nun gut, ich werde
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