Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
das?«
    Jemand berührte meine Schulter und rüttelte daran.
    »Nein, ich bin’s, Samuel Wallenda.«
    Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und schaute ihn an.
    »Samuel. Dann bin ich nicht tot.«
    »Überhaupt nicht, mein Freund, du bist nicht im Himmel, sondern in Margrets guter, alter Hütte. Sie hat dich heute Morgen schlafend im Blumengarten gefunden und Hilfe geholt, um dich hineinzutragen. Dann hat sie mich angerufen. Herzlichen Glückwunsch zu deiner Freiheit und Berühmtheit.«
    »War der Engel noch bei mir?«
    »Der Engel?«, fragte Samuel irritiert und sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Ich versuchte klar zu denken und fragte nach längerem Grübeln:
    »Berühmtheit? Wovon sprichst du eigentlich?«
    Samuel lächelte erleichtert.
    »Hast du nicht ferngesehen?«
    »Nein.«
    »Wilde Musik läuft«, Samuel erhob sich und schmückte seinen Bericht mit lebhaften Gesten aus, »ein junger Mann balanciert auf einem Seil in schwindelnder Höhe Richtung Mond. Er verliert seine Kleidungsstücke wie von Zauberhand, bis er nackt dasteht, mit den Fingern an den kurvigen Umrissen des Mondes entlangstreicht und mit der Zunge dessen Krater umspielt. Seine Männlichkeit ist unübersehbar. Das Seil schaukelt immer höher hinauf und tiefer hinab, bis es zwischen den Polen des Monds schwingt. Als sie kommen, der Mond und er, füllt sich der Bildschirm mit flatternden Tauben. Dieser Ausschnitt wird schon in einem neuen Musikvideo und zwei Werbespots verwendet. Du bist berühmt, Mann, und kannst in den nächsten Jahren die größten Zirkusse füllen. Ich sehe den Zirkusdirektor im Geiste schon die Arena betreten und wie in dem einen Werbespot mit tiefer Stimme ins Mikrofon sagen: ›Sind Sie ein leidenschaftlicher Typ? Möchten Sie manchmal auf …‹«
    »Guten Tag«, sagte ich und nickte einem jungen Mann im schwarzen Anzug zu, der mit einer Aktentasche in der Hand den Raum betrat.
    »Guten Tag«, antwortete der Mann höflich, »bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie so überfalle, während Sie im Bett liegen.«
    »Keine Ursache«, sagte ich und wies auf einen Stuhl. Samuel warf dem jungen Mann einen Blick zu, schaute dann wieder zu mir und sagte erklärend:
    »Das ist der Anwalt der Familie, die kaufen möchte. Ich habe ihn draußen auf dem Hof getroffen, als er gerade ging, nachdem er den ganzen Morgen darauf gewartet hatte, dass du aufwachst.«
    »Was wollen Sie kaufen?«, fragte ich den Mann. Er war peinlich berührt und schaute Samuel fragend an, der sagte:
    »Blomsterfeld natürlich.«
    »Ja, natürlich«, entgegnete ich.
    Für eine Weile verlor ich mich in Gedanken, kam aber wieder zu mir, als Margret das Zimmer betrat. Sie gab mir einen Kuss, fragte mich, wie es mir gehe und ob sie mir etwas zu essen bringen solle. Ich lächelte entschuldigend.
    »Nein, ich habe keinen Hunger.«
    »Hier, trink zumindest etwas.«
    Sie gab mir ein Glas Wasser, das ich in einem Zug leerte. Der junge Anwalt holte Papiere und ein dickes Bündel Banknoten aus seiner Aktentasche.
    »Entschuldigen Sie, aber ich bin ein bisschen in Eile. Hoffentlich sind Sie nicht zu geschwächt. Ich meine, es muss nur noch unterschrieben werden.«
    »Lassen Sie mal sehen«, sagte ich und nahm die Papiere entgegen. Obwohl ich versuchte, mich aufs Lesen zu konzentrieren, verstand ich kein Wort, sagte aber trotzdem:
    »Ja, scheint alles vollständig zu sein.«
    Ich schaute verlegen zu Margret, da ich fast erwartete, dass sie protestieren würde, aber sie holte nur einen Füllfederhalter und gab ihn mir. Ich musterte ihn. Es war ein schwerer, altmodischer Füller mit einer goldenen Einfassung am Schaft. Ich meinte, ihn zu kennen, wusste aber nicht, woher. Der Anwalt räusperte sich und trat von einem Bein aufs andere. Ich setzte die Spitze des Füllers auf das Blatt, um meinen Namen zu schreiben, musste aber einfach weiter diesen wunderschönen Füllfederhalter anstarren. Der Schaft hatte dieselbe Farbe wie ein Baumstamm, und die goldene Einfassung sah aus wie eine Baumkrone. Goldregen? Ich blickte zu Margret, die mich beobachtete, und fragte:
    »Was ist das für ein Stift?«
    »Dein alter Füller. Dein Großvater hat mich gebeten, ihn für dich aufzuheben, bis du ihn für etwas Wichtiges brauchst.«
    Plötzlich wurde mir innerlich heiß, als würde ein großer Gletscher schmelzen und das Wasser abfließen, durch meine Pupillen hinaus. Durch den Nebel, der sich, wie mir schien, über das Zimmer gelegt hatte, kam Margret und nahm mich in den Arm. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher