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Die Riesin Arachna

Die Riesin Arachna

Titel: Die Riesin Arachna
Autoren: Jurij Kusnezow
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aber einen unvermittelt vor ihm auftauchenden Abgrund. Vergeblich versuchte er, mitten im Sprung anzuhalten, es gelang nicht.
    Hals über Kopf stürzte Achr zum zweitenmal an diesem unglückseligen Tag in die Tiefe. Nur mit Mühe federte er den Fall ab, blieb danach wie betäubt am Boden liegen.
    Damit waren die Schrecken dieses Tages allerdings noch lange nicht ausgestanden. Der Tiger hatte sich kaum etwas von seinem Sturz erholt, da befand er sich schon wieder in der Luft. Besser gesagt, er spürte, wie er am Schlaffittchen gepackt und hochgehoben wurde. Das war ihm seit frühester Kindheit nicht mehr widerfahren. Ja, jemand hielt ihn in die Höhe und wendete ihn hin und her, als wollte er sich vergewissern, was für ein seltsames Spielzeug ihm zugefallen war.

    Der Tiger irrte sich nicht. Er sah ein Paar riesiger Augen auf sich gerichtet, die ihn neugierig musterten. Eine entsprechend große Nase saß darunter, ein gewaltiger Mund, und das alles gehörte zu einem Gesicht von beträchtlichen Ausmaßen. Ein Riesenkerl mit mächtigen Fäusten hielt Achr gepackt.
    Aufs äußerste erbost, daß man ihn wie ein Hündchen behandelte, setzte sich der Tiger zur Wehr. Er riß fauchend den Rachen auf, schlug mit den starken Tatzen nach dem fremden Gesicht, um dem Kerl die Nase zu zerfetzen, ihm die Augen auszukratzen. Ein für allemal sollte ihm die Lust vergehen, einen Säbelzahntiger am Kragen zu packen. Doch der Riese ließ sich nicht überrumpeln. Blitzschnell brachte er seine Nase aus der Gefahrenzone, Achr dagegen bekam einen Klaps auf die Schnauze, der sich gewaschen hatte. Tränen der Kränkung traten ihm in die Augen, und der Schmerzensschrei, der seiner Kehle nun doch entfuhr, hörte sich an wie das Zischen eines schwelenden Holzscheits, wenn es ins Wasser getaucht wird.
    Achr kochte vor Wut. Er begann sich nach Kräften zu winden und schlug seine Krallen in die Hand, die ihn festhielt. Nein, er war keine Hauskatze, das bewies das ohrenbetäubende Gebrüll, das sein Prankenhieb auslöste. Die große Hand ließ los, und Achr sauste ein drittes Mal in die Tiefe.
    Also wirklich, heute war ganz und gar nicht sein Tag, er kam aus dem Fallen einfach nicht heraus! Bloß daß er diesmal zum Glück weich landete: in einem dunklen, weich federnden Verlies. Der Riese trug nämlich einen Sack bei sich, in den der Tiger stürzte!
    Später wurde Achr herausgeschüttelt und fand sich auf dem Boden einer riesigen Höhle wieder, die den Riesen als Heimstatt diente. Augenblicklich war er auf den Beinen, bereit, sich mit Krallen und Zähnen gegen jeden Angriff zu verteidigen.
    Diesmal sah der Tiger bereits drei Augenpaare auf sich gerichtet. Die Säulen aber, von denen er im ersten Moment geglaubt hatte, sie würden das Dach abstützen, erwiesen sich als drei Beinpaare. Sie standen so dicht beieinander, daß dem Gefangenen nicht die geringste Chance auf eine Flucht blieb.
    Der Tiger setzte sich aufs Hinterteil, zeigte drohend seine spitzen Hauer und brüllte furchteinflößend:
    »A-a-ch-ch-r-r-r!«
    Als Antwort ertönte eine Stimme, die so laut hallte, daß sie den Tiger fast betäubte.
    »Schau mal, Mama, wie lustig er ist. Er faucht sogar ein bißchen!«
    Es war die Stimme eines Riesenmädchens, die in den Ohren der Mutter vielleicht niedlich, für ihn jedoch wie ein Donnergrollen klang. Achr klemmte den Schwanz ein.
    Armer Tiger! Seine gefährlichen Zähne schreckten niemanden, und das drohende Gebrüll, das den Bewohnern des Zauberlandes fast das Blut in den Adern gefrieren ließ, war für die Riesen hier nichts als ein possierliches Gepiepse.
    Wie Achr später erfuhr, wohnte in dieser Höhle eine kleine friedliche Familie vom Stamme der Uiden. Diesen Namen hatten sich die Riesen vor unendlich langer Zeit selbst gegeben. Zur Familie gehörten drei Personen: Papa A, der unterwegs auf den Tiger gestoßen war und ihn im Sack hergebracht hatte, Mama Ara und das Mädchen Ah.
    Sie lebten in dieser Höhle, solange die kleine Ah denken konnte, und das waren immerhin fast sieben Riesenjahre. Schon vorher aber waren sie hier zu Hause gewesen, in diesem unterirdischen Tal, am Ufer eines unterirdischen Flusses. Freilich empfanden sie selbst weder das Tal noch den Fluß als unterirdisch, denn sie waren noch nie nach oben gelangt, zur Erdoberfläche. Für sie waren es einfach der Dunkle Fluß und das Tal. Nur Papa Ar erzählte manchmal vom Großvater, der wiederum von seinem Vater gehört hätte, irgendwo gäbe es noch eine andere Welt. An
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