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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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eine Ausrede. »Aber es verhält sich so, dass ich... in diesen Tagen blute... so wie’s jeden Monat bei Vollmond geschieht. Ich bin unrein! Ich darf die Kapelle nicht betreten, und den Altarraum noch weniger. O gebe der Herr, unsere Brüder in Christus kämen zurück, um uns zu beschützen!«
    Was ihnen gewiss nicht gelänge, ging Bathildis durch den Kopf, wiewohl sie wusste, dass sie nicht schlecht von den Mönchendenken durfte, wo doch jeder Mann mehr wert war als die Frau. Dennoch: Die Mönche waren keine kräftigen Helden, sondern bis auf Bruder Alchfrid steinalt und gebrechlich, und jener wiederum war von Geburt an blind. Erstaunlich, dass man ihm die Ewigen Gelübde gestattet hatte, wo doch jeder wusste, dass solche Behinderung die Strafe Gottes für die Sünden seiner Eltern war.
    »Bathildis«, sprach die Äbtissin indessen, »du bist flink auf den Beinen. Geh du in die Kapelle und tue, was ich die Schwester Messnerin geheißen habe.«
    »Aber, Mutter Äbtissin, es...«, widersprach Godiva heftig.
    »Ich weiß, sie ist nicht einmal Novizin, doch was zählt das in Zeiten der Bedrängnis? Ich brauche dich hier, Schwester Godiva, damit du mir hilfst, die anderen aufzuwecken, ohne dass sie in Geschrei ausbrechen. Der Taubenturm ist ein gutes Versteck. Wir müssen alle dorthin führen... und du, Bathildis, kommst nach.«
    Bathildis nickte tonlos; kurz nur währte der Triumph über ihre Auszeichnung, die ihr entgegen Godivas Willen zugesprochen ward. Dann wurde ihre Kehle wieder rau, und in ihrem Leib wand sich der dunkle Wurm aus Angst und Schrecken. Durch die Schlitze des Fensterbalkens erspähte sie, dass die Schiffe, anfangs nur Punkte in der Weite des Horizonts, zur Größe einer Faust gewachsen waren. Wenn es ihr nicht rechtzeitig gelänge, ihre Aufgabe zu erledigen und wieder aus der Kapelle zu huschen, so würde sie den nächtlichen Angreifern ganz alleine gegenüberstehen – wer immer sie auch waren.
    Bathildis schlich auf ihren Zehenspitzen. Sie hatte erwartet, dass ihre Furcht in der leeren Kapelle weiter wachsen und ihr Leib noch unkontrollierter zittern würde als vorhin, nicht zuletzt, weil in den Gemäuern die modrig-frostige Luft vom Winter hing, wiewohl selbst der launige Frühling bereits zur Neige schritt. Aber dennoch verbreitete das niedrige Gewölbe ein heimeligesGefühl, zumindest in solcher Weise, dass es der gebotenen Ehrfurcht nicht widersprach.
    Es war, als hätte Weltliches in den geweihten Hallen nichts zu suchen – was gleichsam hieß, dass die bedrohlichen Schiffe und die Angst, die sie zeugten, hier keinen Zutritt hatten.
    Vielleicht sollte ich mich hier verstecken, ging es Bathildis durch den Kopf, obwohl sie vor wenigen Augenblicken noch den anderen Schwestern davon abgeraten hatte.
    Nun glaubte sie plötzlich Godivas Hoffen, dass kein Angreifer diese Schwelle überschreiten könnte, sondern von unsichtbarer Macht zurückgehalten werde, gleich so, als würde ein kräftiger Krieger ihm entgegentreten und ihn schlagen. Ein Krieger, wie ihr Vater einer war, der gewiss alles zu ihrer Rettung tun würde, wüsste er seine Tochter in Gefahr.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie an Thorgil dachte. Wohingegen ihn ansonsten ihre Fantasie nur blass und unscharf zeichnete, ward er nun ob der Furcht zum mächtigen Riesen gewachsen.
    »Oh, Vater«, seufzte sie unwillkürlich – und sie wusste nicht, ob sie den irdischen meinte oder den himmlischen, dem man an keinem Ort so nah kommen konnte wie hier.
    Gleichwohl es übermächtig schien, widersetzte sie sich dem Begehren, sich irgendwo zu verkriechen, sondern erfüllte ihre Pflicht, indem sie zum Altar vortrat, dort sämtliche Gerätschaften zusammentrug und sie hernach in der bestickten Decke einwickelte: Kelche aus Bronze (die Klostergemeinschaft war zu arm, um solche aus Gold zu besitzen), zwei Kandelaber, Weinund Siebgefäß mit farbig blitzenden Steinen und die Hostienschalen für die heiligen Eulogienbrote.
    Einer wie ihr wäre solch Handeln niemals gestattet gewesen, wäre ein Mann zugegen gewesen und hätte sich die Gemeinschaft nicht in einem Zustand höchster Not befunden. Wissend, dass sie eine Unwürdige war, hielt sie darum den Kopf gesenkt – gleich so, als stünde sie einer Person gegenüber, der mannicht offen ins Angesicht schauen durfte. Sie versuchte, sämtliche Gefäße nur mit den Fingerspitzen anzufassen, sodass sie mit möglichst wenig beschmutzender Haut in Berührung gerieten.
    Ob die Nonnen schon den Taubenturm
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