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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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Glaubens. Nicht nur, dass die Häupter der Bekehrten mit gar sonderlichem Wasser beträufelt wurden, welches die Männer der Kirche »geweiht« nannten – obendrein wurden auch alle Heiligtümer der alten Götter entwürdigt, nämlich durch den Bau von Kirchen.
    Ein blutiger Klumpen trat zwischen Estriths Schenkeln hervor, indessen Fliegen im roten Dunst summten. Es roch nicht nach neuem Leben, sondern süßlich wie Verwesung.
    »’s ist tatsächlich das Köpfchen«, meinte eine der Mägde, zwar endlich mit wachsendem Interesse, aber weiterhin tatenlos.
    »Dann zieht es doch heraus!«, brüllte Estrith sich windend.
    »Ha!«, lachte Acha. »Ich helfe dir gewiss nicht! Soll dir halt dein Priester dein Kind holen!«
    »Es ist auch von deinem Blute, Acha!«
    »Eben darum«, sagte die Alte, nun nicht nur höhnisch, sondern ehrfurchtsvoll, »eben darum ist es meine Pflicht, die Götter nach seiner Zukunft zu befragen.«
    Sprach’s, drehte sich um und marschierte – an der hölzernen Trennwand vorbei, die den Schlafbereich vom Hauptraum abtrennte – zur Feuerstelle.
    »Nein!«, gellte Estrith ihr hinterher. »Nein, das wirst du nicht tun!«
    Ihr Atem kam stoßartig. Acha hingegen grinste vor sich hin, nahm einen Haken von der Wand, durch deren Gerüst von Weidengeflecht frische Luft von draußen strömte – und kniete sich nieder, um damit in der rotäugigen Glut zu stochern. Das Feuer war am Verlöschen, längst viel zu schwach, um mit seinen flackernden Schatten die Wände zu bemalen.
    »Ich tu, was ich für richtig halte«, erklärte sie entschlossen.
    »Wage nicht, deine heidnischen Götter nach der Zukunft des Kindes zu befragen!«, schrie Estrith, wiewohl die Worte in einem Würgen und Ächzen untergingen. »Das ist Gotteslästerung! Sobald es geboren ist, wird’s getauft!«
    »Nun«, lachte Acha, »dann musst du ja keine Furcht haben, dass der Götter Fluch es treffen könnte. Dann ist es vom Gekreuzigten ja bestens geschützt. Oder denkst du vielleicht dasselbe wie ich, dass nämlich dein Christengott im Zweifelsfalle doch zu nichts taugt?«
    Estrith konnte nicht mehr reden. Auch ihr Schreien verstummte, als sie nun hechelnd ihr Kind aus dem Leib presste. Acha indessen schrieb magische Zeichen in die Asche, zu der die Feuerglut verfiel.
    »Nicht gut«, murmelte sie, um Estrith zu ärgern. »Gar nicht gut ist, was ich sehe.«
    Thorgil beglotzte seine neugeborene Tochter schweigend, was nicht verwunderlich war, schließlich sollte ein Mann andere Begabungen haben als die des Redens. Zumindest war er nicht betrunken, wie Acha angenommen hatte, sondern sah sich die kleinen, rot verschmierten Gliedmaßen erstaunlich wach an.
    »Es ist nur ein Mädchen!«, lästerte Acha, erleichtert, dass sie der Schwiegertochter zumindest nicht die Geburt eines Sohnes gönnen musste.
    Estrith war so bleich, als hätte ihr Leib während der Geburt alles Blut aus den Adern gespien. Vielleicht stirbt sie noch, dachte Acha schadenfroh.
    »Sie hat einen Zauber gesprochen«, murmelte Estrith tonlos. »Deine Mutter hat einen bösen Zauber über das Kind gesprochen...«
    Thorgil blickte stirnrunzelnd auf. Im Hauptraum erschienen grobschlächtige Mägde und Knechte, um das Neugeborene zu beschauen. Sie kamen aus den Ställen für das Vieh, die rund um das Langhaus gebaut waren, den Speicherhäusern, in denen Getreide gelagert wurde, und aus den Werkstätten, wo Holz und kostbares Eisen verarbeitet wurde – zu Booten und Pflügen, Karren und Fischereigerät.
    »Das habe ich nicht!«, verteidigte sich Acha. »Doch wer das zweite Gesicht hat, der vermag in der Feuerglut die Zukunft des Menschen zu sehen!«
    Das Kindlein quietschte wie ein Kätzchen.
    »Und«, fragte Thorgil, vom Streit der Frauen mürrisch gestimmt, »was hast du gesehen?«
    Acha zögerte.
    Die Wahrheit war, dass sie weder das zweite Gesicht hatte noch mit den Göttern sonderlich gut stand. Nie hatte sie große Stücke auf sie gehalten, ihre Namen vielmehr erst dann heraufbeschworen, als Estrith den schwachen Christengott ins Haus holte. Das allein hätte Acha ihr noch verzeihen können – nicht jedoch, dass sie aus dem maulfaulen, schlichten Sohn einen lebhaften Mann machte, der ständig dem hübschen Leib der Gattin hinterherrannte und dessen Stöhnen bis in den Hauptraum drang, wenn er auf ihr lag und sie begattete. Acha hatte den eigenen Mann nie zu irgendeiner Regung veranlassen können. Was immer er auf ihr liegend tat – es hatte niemals ein Geräusch erzeugt,
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