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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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bieten. Nicht länger hätte ich um ihr Geschick zu bangen!«
    Ihre Stimme wurde schwächer ob der Anstrengungen der Geburt. Matt sank ihr Kopf zurück auf das Kissen. Thorgil blickte ratlos, bislang bereit, sich jedem Wunsch von der so begehrten Gattin zu fügen, doch jetzo dem Verdacht erliegend, dass ein Entschluss von solcher Weite von ihm getroffen werden müsste – nicht von ihr.
    Ricbert freilich nahm die Worte freundlich auf. »Das nenn ich einen guten Plan!«, rief er aus, ehe Thorgil widersprechen konnte. »Schon vorhin hatte ich eben diesen Gedanken – für den Fall, dass dir ein Mädchen geschenkt sein sollte. Nun hat Gott es so gefügt, und wenn sie gesund und kräftig bleibt, dann sehe ich sie dereinst gern als Aidans Braut!«
    Er lächelte ehrlich erfreut, Estrith seufzte erleichtert, weil sie das böse Omen nicht länger ohnmächtig ertragen musste, und auch Thorgil nickte schließlich zögernd. Sein Weib hätte nicht ohne sein Einverständnis sprechen dürfen – doch was sie gesagt hatte, ergab Sinn.
    »Auf Aidan und Bathildis!«
    Alle stimmten in diesen Ruf ein.
    Nur Acha wandte sich missmutig ab, von den verheißungsvollen Plänen der Möglichkeit beraubt, Estrith weiter zuzusetzen. Ob ihrer heftigen Bewegungen wirbelte die Asche in der Feuerstelle hoch und verwischte langsam zu Boden tänzelnd die Zeichen, die sie gemalt hatte.
    »Bring Holz!«, knurrte Acha eine der Mägde an, die eben die säuerlich riechende Nachgeburt nach draußen tragen und dort verscharren wollte, so tief, dass kein wildes Tier sie ausgraben und fressen konnte. »Siehst du nicht, dass das Feuer erloschen ist?«

II. Kapitel
    15 Jahre später
    Die Schiffe kamen in der Nacht; mit eingezogenen Segeln glichen sie dunklen Augen und ihre Ruder, die fast lautlos durch das Wasser glitten, deren Wimpernschlägen. Das Plätschern, das sie zeugten, ein wenig ächzend wie der feuchte Atem eines Sterbenden, war leiser als die Brandung, die am zerklüfteten Ufer aufschlug.
    Bathildis sah die Schiffe zuerst. Schon Stunden zuvor hatte sie in die Nacht gestarrt, nicht als willentliche Späherin, sondern weil der Schlaf sie vor sich hertrieb, anstatt sie mit seinen schweren Flügeln einzulullen. Seit Wochen ging es so, dass Finsternis und Ruhe sie nicht beschwichtigten, sondern aufwühlten, ihr Gedanken in den Kopf träufelten, die bei Tag keine Macht über sie hatten und die aus dem Kloster an der Küste von Kent, bislang sichere Heimstatt, ein Gefängnis machten. Der einzig erträgliche Ort war die Kammer über dem Schlafsaal, wo Fensterluken einen eingeengten Blick nach draußen erlaubten.
    Die Schiffe sah sie nur zufällig; eigentlich starrte sie zum Mond hinauf, der – hinter Wolken liegend – ein unregelmäßiges Licht warf und aus dem dunklen Tuch der See ein Flickwerk aus tiefschwarzen Löchern, weißen, sich kräuselnden Spitzen und grün-blauen Falten machte. Ehe die schreckliche Gefahr zu erahnen war, hatte sie geseufzt, hatte sich gefragt, wie viele Stunden sie noch vom fremden künftigen Leben trennten. Nicht mehr im Kloster sollte sie dieses zubringen, wo sie zu lesen und zu schreibengelernt hatte, zu singen und zu beten, zu spinnen und zu weben, vor allem aber: demütig zu sein und fromm (wiewohl dies nicht immer gelang; das Verbotene reizte sie, und dazu zählte auch, nachts nicht im Schlafsaal zu liegen, sondern ins Freie zu schauen). Stattdessen sollte sie den Bund der Ehe eingehen – mit einem Mann, der getauft war (was, wie die Äbtissin erklärt hatte, gewiss das Wichtigste war und was jedwede andere Schwäche – sei es eine, die Statur, Gesichtszüge oder Charakter betraf – ausgleiche) und mit dem sie das letzte Mal zusammengetroffen war, als ihre stämmigen Beinchen sie kaum tragen konnten, die Augen noch kindlich blau und die Haare noch blond gewesen waren. Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre waren sie gedunkelt (ein wenig rötlich wie das Haar der Mutter und ein wenig bräunlich wie das Haar des Vaters), und um die Pupille war aus einem kleinen dunklen Pünktchen ein haselnussbrauner Reif entstanden. Doch die Zeit hatte aus dem hellen, farblosen Kind nicht nur ein ansehnliches junges Mädchen gemacht, sondern hatte auch die Erinnerung an Aidan verblassen lassen. Sie wusste nichts weiter von ihm, als dass ihre beiden Väter Thorgil und Ricbert die Verlobung schon kurz nach ihrer Geburt beschlossen, hernach mehrfach bekräftigt hatten und dass sie ihm vor Ablauf des Jahres zugeführt werden sollte. Genau
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