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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder
Autoren: Hilary Norman
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Shelly später angerufen, um ihr zu sagen, dass es ihr nur leidtäte, dass sie es nicht gesehen hätte – dann nämlich hätten sich alle ihre Zweifel daran, dass Laurie für die Mutterrolle geeignet war, in Luft aufgelöst.
    »Sie ist dafür geboren«, hatte Angie gesagt.
    »Wir alle sind dafür geboren«, hatte Shelly erwidert.
    »Das war etwas Besonderes«, hatte ihre Schwester erklärtund hinzugefügt: »Auch wenn viele werdende Mütter so aussehen – sie werden zumeist nicht ins Exil geschickt, weil ihre Eltern den Kopf in den Sand stecken wollen.«
    In der zwölften Woche war eine biochemische Untersuchung zusammen mit dem Ultraschall durchgeführt worden. Das und der Triple-Test – eine Blutuntersuchung, die Risikofaktoren für Spina bifida, das Down-Syndrom und die weniger verbreitete Trisomie 18 aufzeigen sollte – hatten das Ergebnis erbracht, dass Lauries Baby zu einer Niedrigrisikogruppe gehörte. Nicht dass jemand sich Sorgen gemacht hätte; schließlich war die Mutter jung und gesund, und bei einer früheren Ultraschalluntersuchung waren keinerlei physische Abnormalitäten aufgefallen.
    »Gott sei Dank«, sagte Angela zu Shelly, die nach Frankreich gekommen war.
    »Ja«, erwiderte Shelly. »Natürlich.«
    Ihre Schwester schaute ihr tief in die Augen, die so blau waren wie die ihrer Tochter und wie auch ihre eigenen Augen. »Das meinst du doch auch so … oder, Shelly?«
    »Natürlich.« Shelly schüttelte den Kopf und warf ihre blonden Haare zurück wie ein Pony, das lästige Insekten vertreiben will. »Sei nicht dumm, Angie.«
    Sie hatten es gewusst, kaum dass er geboren war.
    Laurie hatte es in den Augen der anderen gesehen – erst in denen der Hebamme und der Krankenschwestern, dann, kurz nachdem sie ihn weggebracht hatten, in den Augen ihrer Eltern und ihrer Tante.
    »Was stimmt nicht mit meinem Baby?«, hatte Laurie gefragt.
    Die Frage hatte sich vom ersten Augenblick an in ihrem Kopf festgesetzt, war wie in Eis gepackt gewesen und hatte einfach nicht hervorkommen wollen, weil Laurie viel zu große Angst vor der Antwort hatte. Doch sie hatte ihren Sohn im Arm gehalten, hatte ihn von Kopf bis Fuß gemustert, und in ihren Augen hatte er perfekt ausgesehen.
    Vielleicht, dachte sie plötzlich, war die Reaktion ihrer Familie nur ein Trick. Vielleicht gehörte es zu dem Plan, ihr das Baby wegzunehmen. Vielleicht …
    »Sie sind sich noch nicht sicher.« Die unbeholfene Antwort ihres Vaters riss Laurie aus ihren Gedanken.
    »Was soll das bedeuten? Wo ist er überhaupt?« Laurie war gereizt, und sie hatte Angst. »Ich will ihn zurück.«
    Als sie den Jungen weggeholt hatten, hatten sie Laurie gesagt, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, es seien bloß Routineuntersuchungen.
    »Bitte, reg dich nicht auf«, sagte ihre Mutter nun. »Es wird schon in Ordnung sein.«
    »Nicht es «, verbesserte Laurie sie gereizt. »Er. Sam. Er heißt Sam.«
    »Das ist ein schöner Name«, bemerkte Tante Angela in warmherzigem Tonfall. »Er ist wunderschön.«
    »Ich weiß«, sagte Laurie.
    Sie waren rasch zu einer Entscheidung gelangt. Von Adoption war nicht einmal geredet worden – von nichts derart Barbarischem und Sinnlosem –, denn sie wussten, dass Laurie dem niezugestimmt hätte. Doch nur drei Tage später, als Laurie und Sam noch in der Klinik waren, erschienen Pete und Shelly mit einem ganzen Packen Infomaterial und Empfehlungsschreiben von Ärzten, Eltern und sogar Parlamentsabgeordneten, um ihrer Tochter die Vorzüge des Rudolf Mann House schmackhaft zu machen.
    »Es gibt nichts, was auch nur annähernd an das Heim herankäme«, sagte Pete.
    »Ja, von etwas Besserem haben wir noch nie gehört«, sprang Shelly ihm zur Seite.
    »Kommt nicht infrage«, erklärte Laurie und versteifte sich am ganzen Körper. »Niemals. Er ist mein Sohn. Ich selbst werde mich um ihn kümmern.«
    »Ich wünschte, das wäre möglich«, erwiderte Shelly.
    »Ja«, sagte Pete. »Leider hast du keine Ahnung, wovon du sprichst …«
    Sie hatten sich Zeit genommen, hatten geduldig auf Laurie eingeredet, freundlich und – was noch schlimmer war – vernünftig. Sie hatten ihr gesagt, ihr bliebe keine Wahl. Auch wenn es bis jetzt so aussah, dass ihr Sohn zu den Glücklichen zählte, die keine Herzprobleme hatten, würde Sam trotzdem eine spezielle Pflege benötigen, um die besten Chancen im Leben zu erhalten.
    »Ihr habt von Anfang an gewollt, dass ich ihn loswerde«, sagte Laurie.
    »Ja, am Anfang war es wirklich so«, gestand Pete,
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