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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition)
Autoren: José Saramago
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wahrnehmen, anhalten und herumgehen, nachdenken und die Gedanken aussprechen.
    Von außen sieht die Kirche von Estômbar wie eine Kathedrale im Miniaturformat aus, so als hätte man die Kirche von Alcobaça verkleinert, damit sie auf einen Dorfplatz passt. Schon allein deshalb wäre sie faszinierend. Aber es gibt in ihr auch ausgezeichnete Azulejos aus dem 18. Jahrhundert und vor allem, oh, vor allem zwei skulptierte Säulen, die, soweit der Reisende weiß, in Portugal einmalig sind. Der Reisende möchte fast sagen, sie seien irgendwo in einem fernen Land angefertigt und hierhergebracht worden. Das Bestreben, kein Fleckchen unbearbeitet zu lassen, hat (man möge dem Reisenden seine Phantasie nachsehen) etwas Polynesisches, und die Pflanzenornamentik zeigt – oder zumindest scheint es so – in stilisierter Form, was wir gemeinhin als Fettpflanzen bezeichnen. Unsere einheimische Flora ist auf diesen Säulen nicht zu erkennen. Zwar windet sich um die Basis ein Tau (typisch für das 16. Jahrhundert), zwar sind die Figuren mit Musikinstrumenten aus derselben Zeit dargestellt, dennoch wirken sie insgesamt fremdartig. Gegen diese These spricht leider, dass die Säulen aus dem hiesigen Sandstein gearbeitet sind. In jedem Fall könnte der Künstler von woandersher gekommen sein. Wie dem auch sei, wer es kann, mag dieses Rätsel lösen, falls das nicht bereits geschehen ist, so wie seinerzeit sicherlich auch der Ursprung des Namens Estômbar.
    Nach Portimão fährt man über die Brücke, die den Fluss Arade überspannt, sofern man diese Mündung noch als Fluss bezeichnen kann, denn das Wasser stammt zu weit größerem Teil aus dem Meer, das zwischen Praia da Rocha und Ponta do Altar aufläuft und abebbt, als aus diesem und ein paar anderen kleinen Wasserläufen, die von der Serra de Monchique und der Serra da Carapinha herunterkommen und hier zusammenfließen. Der Reisende geht zur Pfarrkirche, sie ist geschlossen. Was er nicht allzu sehr bedauert, denn das Schönste an der Kirche ist für jedermann sichtbar: das Portal, auf dessen Archivolten Krieger dargestellt sind, was für das 14. Jahrhundert, als Kirchen so manches Mal zu Festungen ausgebaut wurden, nichts Besonderes ist, hier aber sind Männer und Frauen gemeinsam mit Rüstung und Waffen dargestellt. Wie sind diese Amazonen an die Kirche von Portimão gekommen, das würde der Reisende gern erfahren. Zwar gab es zu jener Zeit durchaus Frauen unter Waffen, so wie Deuladeus und Brites de Almeida, doch als Mitglieder der regulären Truppen, Schulter an Schulter mit den Männern, davon ist nichts überliefert. Vermutlich war es eine Vorahnung des Steinmetzen, er hat vorausgesehen, dass der Krieg eines Tages allumfassend sein würde und dass die Frauen sich wie die Männer würden bewaffnen müssen.
    Und wo schon von Krieg die Rede ist, kann es nicht schaden, in Erinnerung zu rufen, dass mit Lagos, der nächsten Stadt, der Name Sertorius verbunden ist, der jenes Römers, der nach dem Tod von Viriatus der Oberbefehlshaber der Lusitanier war. Wer bei Lusitanier an die Montes Hermínios oder Serra da Estrela denkt, wie wir sie heute nennen, wird kaum glauben können, dass die Kämpfe sich bis so weit in den Süden erstreckten. Aber es stimmt. Sertorius, der sich aus dem Kampf zwischen Marius und Sulla herausgehalten hatte (oder herausgehalten worden war), wurde etwa achtzig Jahre vor unserer Zeitrechnung von den Lusitaniern gebeten, sie im Krieg gegen die Römer anzuführen. Patriotismus wurde damals weniger streng als heute verstanden oder aber ließ sich mühelos den Interessen einer bestimmten Gruppe unterordnen, worin er sich im Grunde von der heutigen Praxis nur insoweit unterscheidet, als wir mehr den äußeren Schein wahren. Sertorius jedenfalls nahm den Auftrag an und landete, von Mauretanien her kommend, wohin er sich nach Scharmützeln mit Piraten zurückgezogen hatte, mit zweitausend römischen und siebenhundert libyschen Soldaten auf der Iberischen Halbinsel. Verworrene Geschichten einer allgemeinen Geschichte, die manch einer gern als einfach darstellen möchte: Erst waren die Lusitanier da, dann kamen die Römer, dann die Westgoten und die Araber, da es jedoch ein Land namens Portugal geben musste, erschien der Graf Dom Henrique, dann sein Sohn Afonso und nach ihm weitere Afonsos, ein paar Sanchos und Joãos, Pedros und Manuéis, mit einer Pause, in der drei kastilische Felipes regierten, nachdem in der Schlacht von Alcácer Quibir der unglückliche Sebastião
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