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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks
Autoren: Gert Prokop
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völlig verdattert zurück. Sie betrachtete die grüne Paste mit äußerstem Mißtrauen und rührte sie nicht an. Der Duft ließ nicht nach. Er wurde immer intensiver. Verlockend.
    Schließlich siegte ihre Neugier. Was kann mir alten Frau noch geschehen, dachte sie. Warum sollten die Kleinen mir etwas antun wollen, gerade jetzt, da wir so friedlich miteinander umgehen?
    Wenige Minuten, nachdem sie sich eingesalbt hatte, fing ihr Herz an zu rasen, ihr wurde schwindlig, die Glieder waren unsagbar schwer. Emma lag mit geschlossenen Augen da und rang keuchend nach Luft. Dann schien es ihr, als falle sie ins Bodenlose.
    Sie riß die Augen auf. Nein, sie lag noch in ihrem Bett, aber Wände und Decke schwankten und wogten in Wellen, das Zimmer füllte sich mit leuchtendem, violettem Licht. Ein seltsames, dumpfes Brummen ertönte, erfaßte sie, ließ sie erbeben, dann wurde es pechschwarz. Kurz darauf wuchs rundum ein rosa 25
    Schimmer, verdrängte die Dunkelheit, eigentümlich verzerrte Gestalten tauchten auf, unheimliche Gesichter mit langen, warzigen Nasen oder mit Hörnern tanzten um sie herum in der Luft, der Raum weitete sich geheimnisvoll, und Emma fühlte sich schweben.
    Dann entdeckte sie tief unter sich die Stadt. Sie flog!
    Eindeutig, sie flog.
    Vor vielen Jahren hatte sie einmal einen Rundflug gemacht, genauso lag nun das Land unter ihr, nur daß es jetzt in fahles silbernes Licht getaucht war, in dem Emma alle Einzelheiten unwirklich klar erkennen konnte. Die Landschaft kam ihr bekannt vor.
    War das da hinten nicht der Harz? Sie spürte einen Druck zwischen den Schenkeln, merkte, daß sie auf einer Stange ritt; als sie sich umdrehte, sah sie am Ende der Stange so etwas wie einen Reisigbusch.
    Und Dutzende merkwürdiger Figuren, die mit ihr durch die Lüfte ritten. Ja, es war der Harz.
    Da lag unverkennbar der Brocken, dort die Roß-
    trappe und der Hexentanzplatz!
    Emma atmete schwer, klammerte sich an den
    Stiel. Der Besen drückte steil nach unten, setzte zur Landung an, setzte ganz weich auf, auf einem Pla-teau, auf dem ein gewaltiges gleißendes Feuer lohte, um das ein wilder Reigen tobte. Aufwühlende Musik ergriff Emma. Sie konnte nicht anders, sie reihte sich ein, hüpfte jauchzend um das Feuer, fühlte sich unbeschreiblich jung und unsagbar glücklich.
    26
    Sie wunderte sich nicht, als ein bildschöner Jüngling quer durch das Feuer auf sie zusprang, sie umarmte und küßte; war sie nicht seinetwegen hierhergekommen, kannten sie sich nicht seit undenklichen Zeiten? Hand in Hand liefen sie davon, torkelten ins Moos, sie gab sich ihm hin, sie war selig. Zum Teufel noch mal, wann hatte sie zum letzten Mal so etwas, wann hatte sie je solch eine Wollust erlebt? Es zog sie zum Feuer zurück, sie umarmte den ersten, der ihr über den Weg lief, er strahlte sie an, zog sie in ein Farngebüsch. Mehr, mehr!
    Ihr Verlangen wuchs ins unermeßliche. Sie tanzte wild mit drei nackten schwarzgelockten Teufeln, entführte die drei an den Waldrand, irgendwann
    schwanden ihr die Sinne.
    Sie erwachte in ihrem Bett. Todmüde. Völlig zer-schlagen. Als ihr die Ereignisse der Nacht einfielen, erschauderte sie. Dann zog ein Schmunzeln über ihre Lippen. Warum eigentlich nicht, dachte sie. Sie konnte froh sein, daß überhaupt noch etwas die Eintönigkeit ihrer Tage durchbrach; und wenn sie ehrlich sein wollte, dann war es zwar sehr, sehr ihr fiel das richtige Wort nicht ein –, nun, verrückt gewesen, aber schön. Da mußte sie achtundsiebzig werden, um so etwas zu erleben. Und es war ja nur ein Traum, beruhigte sie sich. Oder nicht?
    Eine Hoffnung glomm in ihr auf. Sie machte
    Licht, tapste zum Spiegel, doch nur ihr zerfurchtes, 27
    hohlwangiges Gesicht blickte sie an, die Haut toten-bleich, die Augen rot unterlaufen.
    Emma schlurfte in die Küche, brühte Kaffee, verschüttete die Hälfte, als sie die Tasse zum Sessel trug, und schlief ein, kaum, daß sie sich gesetzt hatte.
    Phti weckte sie.
    »Nun«, fragte er, »hat es dir gefallen?« Er sah ihr in die Augen. Emma schoß das Blut in die Wangen.
    Tatsächlich, sie konnte noch rot werden. Dann erschrak sie. Was wußte Phti?
    »Wa-was war d-das?« stotterte sie.
    »Eine Mixtur«, antwortete Phti sachlich, »aus den Säften von, warte mal, Tollkirsche, Stechapfel, Bil-senkraut, Fliegenpilz, Rennefahre und Salbei. Unsere vorige Expedition hat das Rezept mitgebracht.«
    »Eure vorige –? Wann war das?«
    »Nach euren Zeitbegriffen vor etwa sechshundert Jahren.«
    »Hast du die
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