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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks
Autoren: Gert Prokop
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weiß, wann wieder einmal ein Raumschiff in diese Gegend kommen würde; zu seiner Zeit startete auf der Erde nur alle zwanzig Jahre eine Expedition so weit ins All. Niemals…
    Ja, er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich umzubringen.
    Nachdem Bellamy ihn verlassen hatte. Er war in den Wald gegangen, um sich aufzuhängen. Hängen, so fand er, war ein uralter, urmenschlicher Tod. Seit Jahrtausenden waren Menschen durch Hängen gestorben, warum nicht auch er, hier auf dem Antair, Dutzende von Lichtjahren von zu Hause entfernt ein Mensch bleibt man überall. Und es sollte ein schöner Tod sein, hatte er einmal gelesen. Wenn man überhaupt von einem schönen Tod sprechen konnte, und wenn man es richtig machte ein plötzlicher Blutan-drang im Gehirn, eine letzte, überwältigende Flut von Farben, Bildern, Tönen. Und eine letzte Erektion.
    Die Erektion bekam er auch so. Er hatte sich an den Stamm eines Baumes gesetzt und war einge-schlafen, müde und erschöpft von dem langen
    Marsch, vor allem aber von den vielen vergeblichen 390
    Versuchen, einen Ast zu finden, der erreichbar und zugleich fest genug war, daß er sich daran aufhängen konnte.
    Er hatte sonderbare Träume voller unfaßbarer, unbeschreiblicher Farben und Töne, Gerüche und Düf-te, voll Wärme und Wohlbehagen und Erotik. Es war der Duft der Venusblume, wie er sie taufte, der wie ein Rauschgift auf sein Gehirn wirkte, wie eine Droge, wohl ähnlich dem LSD, das sie einmal auf der Erde genommen hatten. Er entdeckte die Blume erst, als er danach suchte. Spätabends, er hatte Stunden unter dem Baum gesessen, und die Blumen, die er beim Kommen nur im Unterbewußtsein registriert hatte, waren verwelkt.
    Sie blühten immer nur einen Tag, und die Blume wuchs nur an wenigen Stellen, ein Glück für ihn, sonst wäre er wohl süchtig geworden. O'Neill hatte die Pflanzen studiert, konnte schließlich auf den Tag genau vorhersagen, wann eine blühen würde, hatte im Laufe der Jahre alle Venusblumen im Umkreis von drei Tagesreisen registriert, selbst dann konnte er nur alle drei, vier Wochen träumen gehen.
    Diese Träume hatten sein Leben verändert, hatten es wieder lebenswert gemacht. Ihretwegen schuf er in den Wochen zwischen den Träumen die Basis seines Überlebens. Er legte Pflanzungen an, vervoll-kommnete das Sauerstoffsammelgerät, die Trinkwas-seraufbereitung, reparierte und wartete den Copter, 391
    erfand all die kleinen Geräte, die er zum Überleben brauchte ein Robinson auf dem Antair, nur statt eines Freitags hatte er eine Blume gefunden.
    Die Lust, die die Blume ihm schenkte, gab ihm die Lust am Leben zurück, Mut für die Erforschung des Planeten, die Ausdauer, alles, was er entdeckte, zu registrieren und zu beschreiben, die Hoffnung, daß es eines Tages ein Raumschiff hierher verschlagen würde, das sein Vermächtnis zur Erde zurückbrachte.
    Und nun waren sie gekommen. Als er längst nicht mehr damit rechnete, nicht einmal mehr eine vage, irrationale Hoffnung hegte, es noch zu erleben. Als er sich damit abgefunden hatte, für alle Zeiten in den Tiefen des Alls verschollen zu bleiben er haderte nicht mit seinem Schicksal. Nicht mehr. Was war die Erfüllung des Lebens? Was hätte ihn erwartet, wäre er auf der Erde geblieben? Arbeit an irgendeinem Institut, Warten auf Urlaub, auf die immer zu knappe Energiezuweisung für ein Forschungsprojekt, eine Frau oder zwei, vielleicht ein Kind…
    Hier hatte er einen ganzen Planeten zu entdecken, und daß er allein war war auf der Erde niemand allein, trotz der Milliarden von Mitmenschen? Wie viele machten gerade dort aus Einsamkeit ihrem Leben ein Ende.
    Er war nicht allein. Der Antair war sein allgegenwärtiger Gefährte, O'Neill sprach mit ihm, und manchmal schien es ihm, als ob er Antwort bekam.
    392
    Der Antair war sein Freund, ein leider oft auch unberechenbarer, erschreckender Freund, und, seit er die Venusblume entdeckt hatte, auch seine Geliebte.
    Diese Wärme und Geborgenheit, diese Träume
    welche Frau hätte ihm mehr Erotik gegeben als diese Welt? Seine Welt.
    Und nun sollte er sie verlassen.
    Der dritte Mond war aufgegangen, tauchte die Spitzen des Himantaya in blau glitzerndes Licht.
    Dort, auf dem Eisfeld, dicht unter der höchsten Spitze, würde er landen, fast zwanzig Kilometer über dem Erdboden. Dem Boden des Antair, korrigierte er sich. Erneut mußte er die Sauerstoffbehälter wechseln.
    Ja, er hatte sich gefreut, er war geradezu außer sich vor Freude gewesen, als sich herausstellte, daß in
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