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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens
Autoren: Ildefonso Falcones
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sprach er nicht weiter.
    »Wer nimmt noch an den Treffen teil?«
    »Partal aus Narila, Nacoz aus Nigüeles, Seniz aus Bérchul.« Hamid hörte nachdenklich zu. Ali erklärte weiter: »Alles ist abgemacht. In Granada stehen die Männer aus dem Albaicín am Neujahrstag bereit. Sobald der Aufstand beginnt, klettern die anderen achttausend Man n … klettern wir über den Generalife-Palast in die Alhambra. Wir haben siebzehn Strickleitern, die gerade in Ugíjar und in Quéntar angefertigt werden. Ich habe sie selbst gesehen: Sie sind aus kräftigen Hanfstricken gemacht, und die Sprossen sind aus so festem Holz, dass drei Männer gleichzeitig hochklettern können. Und wir müssen uns wie Türken verkleiden, damit die Christen denken, wir hätten Hilfe von den Barbaresken oder vom Sultan erhalten. Die Frauen bereiten die Gewänder vor. Wir werden Granada genau an dem Tag zurückerobern, an dem es sich einst den kastilischen Königen ergeben hat.«
    »Was geschieht, wenn die Stadt erst einmal eingenommen ist?«
    »Dann wird uns Algier helfen. Der Groß-Türke wird uns helfen. Das haben sie versprochen. Spanien verkraftet keinen weiteren Krieg, seine Soldaten kämpfen schon in Flandern, in Amerika und gegen die Barbaresken und Türken.« Bei diesen Worten blickte Hamid zur Decke. »Lob sei Gott!«, flüsterte er.
    »Die Prophezeiungen erfüllen sich, Hamid!«, rief Ali. »Es ist soweit!«
    Dann herrschte Schweigen, nur noch Hernandos aufgeregter Atem war zu hören. Der Junge zitterte ein wenig und sah immer wieder von einem Mann zum anderen.
    »Und was soll ich machen? Was kann ich schon ausrichten?«, fragte Hamid plötzlich. »Ich hinke …«
    »Als direkter Nachfahre der Nasriden musst du bei der Eroberung von Granada dabei sein. Du bist ein Vertreter des Volkes, dem die Stadt immer gehört hat und dem sie wieder gehören wird. Deine Schwester begleitet dich gerne.«
    Bevor Hernando eine Frage stellen konnte, drehte sich Hamid zu ihm um, nickte und mahnte ihn zur Geduld. Der Junge ließ sich wieder auf der Decke nieder, aber er konnte seine großen blauen Augen nicht von dem auf den ersten Blick so unscheinbaren Alfaquí abwenden. Hamid war ein Nachfahre der Nasriden-Dynastie, der Könige von Granada!

3
    Hamid bot Ali an, die Nacht bei ihm zu verbringen, aber er lehnte die Einladung ab: Er wusste, dass Hamid nur ein einziges Bett besaß, und um seinen Gastgeber nicht zu beleidigen, behauptete er, er wolle noch einige Dinge mit einem anderen Bewohner von Juviles besprechen, der bereits auf ihn warte. Hamid gab sich damit zufrieden und begleitete ihn zur Tür. Hernando sah zu, wie sich die beiden Männer mit allen Förmlichkeiten voneinander verabschiedeten. Der Alfaquí blickte seinem Schwager nach, bis dieser vollends in der Dunkelheit verschwunden war, und verriegelte dann die Tür. Er wandte sich dem Jungen zu, sein faltiges Gesicht wirkte angespannt, und seine ansonsten so friedlichen Augen leuchteten.
    Hamid blieb noch einen Augenblick an der Tür stehen und überlegte. Schließlich setzte er sich zu Hernando und lächelte ihn an. Aber die tausend Fragen, die dem Jungen durch den Kopf schossen – Nasriden? Welcher Aufstand? Was beabsichtigte der Groß-Türke? Was war mit den Algeriern? Warum sollte Hamid eigentlich auch ein Monfí sein? Gab es in den Alpujarras Barbaresken? –, bündelten sich in einer einzigen Frage:
    »Wie kann es sein, dass du so arm bist, wenn du ein Nachfahre …«
    Die Gesichtszüge des Alfaquí verdüsterten sich.
    »Sie haben mir alles genommen«, antwortete er trocken.
    Der Junge blickte zur Seite.
    »Tut mir leid«, stieß Hernando hervor.
    »Vor nicht allzu langer Zeit«, begann Hamid, »du warst schon längst auf der Welt, da gab es eine entscheidende Veränderung in Granada. Bis dahin waren wir Muslime nur vom Marquis von Mondéjar abhängig, dem Generalkapitän und somit Vertreter des Königs. Aber die vielen Beamten und gerissenen Juristen des Königlichen Obergerichts von Granada forderten – übrigens gegen den Willen des Marquis – die Hoheit über uns, und der König gab ihren Forderungen nach. Dann haben die Amtsschreiber und Juristen damit begonnen, alte Gerichtsverfahren gegen Muslime wieder aufzurollen. Sie ignorierten das Gewohnheitsrecht, das denjenigen von uns, die sich einem Lehnsherrn unterstellten, Straffreiheit für frühere Vergehen zusicherte. Davon hatten beide Seiten lange Zeit profitiert: Die Muslime siedelten sich friedlich in den Alpujarras an, und der König
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