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Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die neuen Großmächte: Wie Brasilien, China und Indien die Welt erobern - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Erich Follath
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abgehängten Rekordjägern in den sogenannten entwickelten Staaten wie New York, London und Dubai mal ganz zu schweigen?
    Antilia heißt das Anwesen. Der Hausherr hat es nach einer mythischen Insel im Atlantik benannt, die in Urzeiten Verfolgte zu ihrer Fluchtburg ausgebaut haben sollen, uneinnehmbar und geheimnisvoll. Ein Märchenschloss ist auch das neue Antilia geworden. Auf über eine Milliarde Dollar hat das US -Wirtschaftsmagazin Forbes die neue Bleibe des indischen Tycoons Mukesh Ambani geschätzt – sie steht gerade mal ein paar Steinwürfe von einigen der größten Slums der Welt entfernt. Eine Stahl- und Glaskonstruktion der Superlative. 27 Stockwerke, drei Helikopterlandeplätze auf dem Dach, neun Aufzüge, Swimmingpool, Multiplex-Kino. Kristalllüster nicht nur im Ballsaal, sondern sogar in den Garagen. 168 Stellplätze gibt es in den unteren sechs Etagen für die Luxusautos des Besitzers, neben den Filmen gilt auch das vornehme Ausfahren als ein Hobby des Hausherrn. Und natürlich das Geldmachen. Mukesh Ambani, Mitte fünfzig, genannt »Mister Big«, ist Chef des indischen Mischkonzerns Reliance Industries mit Beteiligungen an Erdölfeldern, Firmen für Solarzellen, Pharmaprodukten und Textilien. Er ist der reichste Inder, in den letzten Jahren regelmäßig unter den reichsten Männer der Welt zu finden – Nummer vier war er schon mal. Einer, der seiner Frau Nita zum Geburtstag einen Airbus A319 geschenkt hat. Kein nachgebautes Mini-Modell, sondern das Original, das Interieur etwas individuell aufgemöbelt, versteht sich. Mit vergoldeten Wasserhähnen. Passend, denn der Beiname dieser Stadt, die doch so viel Elend kennt, lautet seit alters her »City of Gold«.
    Die Housewarming-Party mit Politikern, Wirtschaftsbossen und Bollywood-Filmstars wurde Ende 2012 gefeiert. Anschließend galt es noch die Götter zu befrieden. Hindupriester verlangten kleinere bauliche Korrekturen, um alles gemäß ihrer Riten einweihen zu können, eine Segnung, auf die der sonst sehr weltlich eingestellte Hausherr nicht verzichten wollte. Deswegen stand das Prachtgebäude einige Monate leer, bevor es dann bezogen wurde: 37000 Quadratmeter für das Paar, seine drei Kinder und die Mutter Ambani. Ob von den 600 Angestellten einige dauerhaft in der Villa übernachten dürfen, gilt als Geheimnis. Gedacht ist Antilia jedenfalls als Einfamilienhaus. Für sechs Menschen. Auf einem vergleichbaren Raum hausen in den Armenvierteln von Dharavi und Shivaji Nagar, jeweils kaum eine viertel Autostunde entfernt, geschätzte 5000 Menschen, die meisten ohne fließendes Wasser, ohne Toiletten, ohne durchgehende Elektrizität. Nach offiziellen Angaben leben etwa 60 Prozent der über 20 Millionen Einwohner von Bombay in Slums. Doch abgesehen von einem leichten Grummeln in der lokalen Presse (»obszön« schrieb der Indian Express) ist von Empörung über Antilia wenig zu spüren. Das Haus an der Barodawalla Marg von Süd-Bombay mit Blick über das Arabische Meer wird nur von ein paar privaten Sicherheitskräften geschützt, die sich in der Hitze langweilen und miteinander scherzen. Steinewerfende Demonstranten fürchtet hier offensichtlich keiner.
    Die Villa stößt bei den Ärmsten offensichtlich auf Gleichgültigkeit – und bei der Mittelklasse der aufstrebenden Bombayer häufig sogar auf eine Art Mitbesitzer-Stolz: Seht her, sagen sie, wir sind Weltspitze, wir können uns alles leisten. Alles schaffen. Was man ja an den Ambanis sieht, der First Family des indischen Aufstiegs, den Bombay-Rockefellers: Vater Dhirubhai musste sich noch in den Sweatshops der alten Spinnereien und Färbereien die Hände schmutzig machen, ein ebenso rücksichtsloser wie erfinderischer Unternehmer, der mit seinem unbändigen Willen und politischen Hinterzimmer-Deals zum »Polyester-Prinz« aufstieg. Seinen beiden Söhnen Mukesh und Anil, in Amerika an Top-Universitäten ausgebildet, hinterließ er ein Imperium, das diese in den Boom-Zeiten seit Beginn der Neunzigerjahre zielstrebig ausbauten. Beide wurden zu Milliardären. Dabei zerstritten sie sich übrigens, und auch ihre Frauen wurden zu Rivalinnen.
    Wenn Mukesh Ambani der Meinung ist, seine Landsleute seien in bestimmten Bereichen noch nicht Weltspitze, lässt er sie links liegen. Für den Bau des Antilia-Anwesens beispielsweise verzichtete er auf einheimische Architekten. Federführend war das Büro Perkins and Will aus Chicago. Die Experten ließen sich nach Vorgaben des Bauherrn durch das Weltwunder der
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