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Die neue arabische Welt

Die neue arabische Welt

Titel: Die neue arabische Welt
Autoren: Annette Großbongardt
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»während ich für umgerechnet 30 Euro in der Notaufnahme schuften und froh sein muss, dass ich überhaupt Arbeit gefunden habe? Wie soll ich mit diesem Gehalt heiraten und eine Familie gründen?«
    Nächtelang saß sie am Computer, um Bewerbungsschreiben für Kliniken in Dubai aufzusetzen – ohne Erfolg. Zu jung, schrieb man ihr zurück, zu wenig Erfahrung. Resigniert kehrte sie Ende 2008 nach Arisch auf dem Sinai zurück – wo sie noch heute für 30 Euro im Monat in der Notaufnahme schuftet.
    Ranas Frust, daran besteht heute kein Zweifel, war das Grundgefühl, aus dem die Aufstände von 2011 entstanden. Denn sie teilte ihre Perspektivlosigkeit nicht nur mit Amani, die noch jahrelang auf eine Anstellung als Lehrerin
warten sollte, mit deren Schwester Omima, die inzwischen mit ungewissen Aussichten Tourismus studiert, und mit Batta, die als Kindergärtnerin arbeitet. Sie teilte sie mit Millionen von jungen Arabern – und einem gewissen Mohammed Bouazizi, der sich am 17. Dezember 2010 im tunesischen Sidi Bouzid mit Benzin übergoss und sich das Leben nahm.
    Aus welchen Gründen auch immer die arabische Welt die Moderne verschlafen hat – ob es der Tribalismus war, das Erbe der Kolonialzeit, der militante Islam, die brutalen Diktatoren oder die Schrecken des Bürgerkriegs: Am Ende aber war es eine soziale Revolution, eine Jugendbewegung, die Arabien aus dem Winterschlaf gerissen hat. Es war die Gesamtheit aller Schikanen und Erniedrigungen, welche die Bevölkerung einfach nicht mehr ertrug. Denn anders als ihre Eltern und Großeltern wissen und sehen die Jugendlichen in Bengasi und Manama, in Kairo, Tunis und Damaskus, wie ihre Zeitgenossen in Paris, in Sydney, in Los Angeles leben.
    Der Schlaf der Regime ist vorüber, die Zeit der Unwissenheit ist vorbei – und die der ewigen Gewissheiten auch.
     
    Als Arabien-Korrespondent des SPIEGEL lebte Bernhard Zand mit seiner Familie acht Jahre im Nahen Osten – zunächst in Kairo, dann im Emirat Dubai.

»Glückliches Arabien«
    Die Weihrauchstraße ist eine der ältesten Handelsrouten
der Welt, bei den Römern war das duftende Harz
begehrt. Hier, zwischen Königreichen und Beduinenland,
beginnt die Geschichte der arabischen Stämme.
     
    Von Claudia Stodte
     
     
    Der sagenhafte Reichtum des alten Arabien beruhte auf dem Kamel und zwei wohlgehüteten Geheimnissen: der Kenntnis der Monsunwinde und der Herkunft von Weihrauch und Myrrhe. Viele Jahrhunderte bevor die Griechen etwa um Christi Geburt den halbjährlichen Rhythmus des Monsuns im Indischen Ozean erkannten, kreuzten die Jemeniten bereits mit seiner Hilfe nach Indien, Südostasien und Ostafrika. Auf ihren hölzernen Segelschiffen brachten sie Pfeffer, Zimt, Edelsteine, Seide, Porzellan oder Sklaven in ihre Heimat.
    In den Hafenstädten wurde die kostbare Fracht in die Packtaschen Hunderter Dromedare umgeladen, die als »Schiffe der Wüste« die nächsten Etappen des Fernhandels übernahmen. Neben Waren aus Indien und China schleppten sie auch zwei Luxusgüter aus Südarabien: Weihrauch und Myrrhe. So entstand die »Weihrauchstraße«, eine der ältesten Handelsrouten der Welt.
    Das goldgelbe Harz, das beim Verglühen einen aromatischen Duft ausströmt, wurde überwiegend im heutigen Oman gewonnen. Im alten Ägypten, in Mesopotamien, Rom und Byzanz war es für religiöse Riten und als desinfizierendes Heilmittel heiß begehrt. Allein im babylonischen
Baal-Tempel verbrannte man im 6. Jahrhundert v. Chr. alljährlich zweieinhalb Tonnen Weihrauch, berichtet der griechische Historiker Herodot.
    Die Römer kauften das Harz nicht nur für kultische Zwecke: Mit seinem Duft versuchten sie den bestialischen Gestank in den Gassen der imperialen Hauptstadt zu überdecken. Fast ebenso begehrt war das Baumharz Myrrhe. Es war Bestandteil des heiligen Salböls, diente als Betäubungsmittel – oder der Verführung: Iranische und palästinensische Frauen räucherten damit ihre Kleider ein. Auch die »Heiligen Drei Könige« brachten dem Kind in der Krippe neben Gold die beiden luxuriösesten Wohlgerüche des Orients.
    Die Hauptroute der Weihrauchstraße führte mehr als 3000 Kilometer durch den Westen der Arabischen Halbinsel bis nach Gaza ans Mittelmeer. Dromedare, seit dem 2. vorchristlichen Jahrtausend gezähmt, schleppten die Lasten auf wochenlangen Märschen. Das Rote Meer hielten die Jemeniten wegen seiner Riffe und Strömungen noch für unbefahrbar.
    Um die 10 000 Lastkamele und etwa hundert Tagesmärsche benötigte man,
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