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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte
Autoren: Andrew Harman
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… Aus einer Seitenstraße schoß ein merkwürdiges torpedoförmiges Vehikel und hätte ihn um ein Haar über den Haufen gefahren.
    »Paß doch auf! Sonntagsfahrer!« schrie er den in unauffälliges Grau gekleideten Fahrer an, der ihm mit dem Finger drohte.
    Er rannte weiter, sauste um eine enge Kurve und krachte einem der unzähligen Menschen ins Kreuz, die sich auf den Straßen um das Rathaus von Guldenburg drängten.
    »Falls es jemand interessieren sollte«, sagte die Gestalt auf der Treppe, die eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte und eine Kristallkugel hochhielt, »es gibt natürlich auch eine Alternative zu dieser grauenvollen Zukunft.«
    Die wütende Menge, die sich wie eine Sturmwoge auf die Treppe zuwälzte, hielt mittendrin an und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Meister der Self-fulfilling Prophecy zu. Doch jetzt hatte der Aufruhr das Blut der Menschen in Wallung gebracht, und ruhig den Sprüchen eines Propheten zu lauschen, das stand nicht gerade an oberster Stelle auf ihrer kollektiven Tagesordnung. Jetzt wollten sie endlich die Rechnung präsentieren für die langen Jahre eines erbärmlichen Lebens, das sie unter der Herrschaft ihres Bürgermeisters Meyer Khulpa hatten führen müssen. Und es gab nur einen Mann, der das Geld hatte, um diese Rechnung zahlen zu können: niemand anderen als den Bürgermeister selbst.
    Quintzi reckte den schmerzenden Hals, um über die Menge zu blicken, und zuckte zusammen, als er spürte, wie sich wieder eine Falte in seine Stirn grub. Sein Magen knurrte hohl, er sehnte sich nach dem Lebenselixier Thaumaglobin … Ein, zwei Tröpfchen wären jetzt wirklich nicht schlecht gewesen.
    »Die Zerstörung«, krächzte Quintzi verzweifelt und hielt den Kopf gesenkt, »das Chaos und das Verderben, das zu schauen kraft meiner ganz besonderen prophetischen Fähigkeiten ich die Ehre hatte … alles das kann vermieden werden!«
    Niemand sah die drei Lichtpünktchen, die sich unglücklich in Quintzis linkem Ohr herumdrückten. »Was sagt man dazu, Kollegen?« fauchte der Nanowicht Skarg’l. »Ganz besondere Fähigkeiten! Pah! Jeder Trottel, der ein paar Silbergroschen hinlegen kann, kann sich so eine blöde Kristallkugel leisten. Und was er da macht – Mißbrauch der ganz besonderen prophetischen Fähigkeiten unserer Kollegen nenn ich das, jawoll!«
    »Ja und?« brummelte Udio. »Geht uns doch nix an. Wir sollen bloß reparieren, wieder zusammenflicken, wenn was defekt ist. Und ich gäb was drum, wenn mir jetzt einer sagen würd, ich soll eine geplatzte Schicksalsröhre wieder hinkriegen.«
    »Ich auch«, murrte Nimlet. »Ist einfach nicht dasselbe, wenn man Holz zerkleinert, bloß weil er es so haben will. Am Anfang war’s ja noch ganz lustig. Aber jetzt …«
    Nachdem er im Laufschritt mehrere Abkürzungen genommen hatte, gelangte Strappado über eine kleine Gasse auf den Rathausplatz und blieb keuchend hinter der letzten Reihe der dort versammelten Menschenmasse stehen. Mit ein paar flinken Karateschlägen und -tritten wies er seinen Begleittrupp an, ihm schnellstens einen Weg durch das Gewühl zu bahnen. Der Abgang des Bürgermeisters stand unmittelbar bevor, ein Ereignis, das jemand wie er, ein hochrangiges Mitglied des Amtes für Natürliche Ordnung, auf keinen Fall versäumen durfte. Außerdem hatte er schlicht und einfach die Nase voll von diesem Meyer Khulpa und seiner Tour, sich permanent selbst zu allen möglichen Diners und Abendessen einzuladen und ihm dabei seinen Lieblingsweinbrand wegzusüffeln.
    Als die Wachen anfingen, den Weg zum Rathaus freizuräumen, stimmte der Mob wüste Sprechchöre an. Wut und angestauter Groll machten sich Luft und brachten das Blut der Menschen zum Kochen. Das Thema Zukunft war nicht mehr aktuell. Das hatte noch Zeit. Im Augenblick gab es Wichtigeres zu erledigen: Meyer Khulpa!
    Die Menge stürmte los, und die erste Reihe brandete wie die Welle einer tosenden Sturmflut gegen die Treppe an, angetrieben von dem einen und gleichen Willen, der alle antrieb: die Stufen hinaufzurauschen und den Bürgermeister unter sich zu begraben, über ihn herzufallen und ihn zu zerfetzen – schonungslos, gnadenlos, brutal …
    Die Sache lief ausgezeichnet, besser, als Strappado gedacht hatte. Und wenn gerade einmal keiner zusah, dann ergab sich vielleicht sogar die Möglichkeit, ein wenig mitzumischen. Und diese Möglichkeit hätte er sich ganz bestimmt nicht entgehen lassen, wenn nicht …
    Plötzlich leuchtete flirrendes Lamettagefunkel auf der
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