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Die Nadel.

Titel: Die Nadel.
Autoren: Ken Follettl
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schlüpfte zu ihr ins Bett. Fast hätte sie an
     Lawrence’ Trompetenstöße und Zimbeln geglaubt. David stand sofort danach wieder
     auf.
    »Geh nicht«, sagte sie.
    »Und wenn jemand kommt?«
    »Das nehme
     ich auf meine Kappe. Komm wieder ins Bett.« Sie fühlte sich wohlig, schläfrig und
     zufrieden, und sie wollte ihn neben sich haben.
    Er zog seinen Morgenmantel an. »Es
     macht mich nervös.«
    »Vor fünf Minuten warst du nicht nervös.« Sie streckte die
     Hand nach ihm aus. »Leg dich zu mir. Ich möchte deinen Körper kennenlernen.«
    »Mein Gott, du bist schamlos.«
    Sie blickte ihn an, um zu sehen, ob er
     scherzte. Als sie merkte, daß er es ernst gemeint hatte, wurde sie wütend. »Was, zum
     Teufel, soll das bedeuten?«
    »Du benimmst dich nicht . . . wie es sich
     gehört!«
    »Was für ein Blödsinn – «
    »Du benimmst dich wie eine –
     eine Nutte.«
    Nackt und wütend sprang sie aus dem Bett. Ihre schönen Brüste
     wogten vor Zorn. »Was verstehst du denn schon von Nutten?«
    »Nichts!«
    »Und was verstehst du von Frauen?«
    »Ich weiß, wie sich eine Jungfrau benehmen
     soll!«
    »Ich bin . . . ich war . . . bevor du . . . « Sie setzte sich auf die
     Bettkante und brach in Tränen aus.
    Das war natürlich das Ende des Streits. David
     legte die Armeum sie und sagte: »Es tut mir leid, ehrlich,
     wirklich. Für mich bist du auch die erste. Ich weiß nicht, was ich erwarten soll, und ich
     bin verwirrt . . . Schließlich wird einem darüber nie etwas gesagt, oder?«
    Sie
     schniefte und schüttelte zustimmend den Kopf. Was ihn wirklich nervös machte, war
     bestimmt die Gewißheit, daß er in acht Tagen mit einem zerbrechlichen Flugzeug starten
     und über den Wolken um sein Leben kämpfen mußte. Sie verzieh ihm also, er trocknete ihre
     Tränen, und sie legten sich wieder ins Bett. Danach war er sehr lieb zu ihr . . .
    Lucy war jetzt fast fertig. Sie musterte sich in einem bis zum Boden reichenden
     Spiegel. Ihr Kostüm wirkte mit seinen geraden Schultern und Epauletten leicht
     militärisch, doch die Bluse darunter war zum Ausgleich sehr weiblich. Ihr Haar war unter
     einem eleganten, flachen runden Hut in Ringellöckchen gelegt. In diesem Jahr wäre es
     nicht richtig gewesen, todschick angezogen daherzukommen. Aber sie hatte den Eindruck, daß
     es ihr gelungen war, flott, aber praktisch und doch zugleich attraktiv auszusehen, wie es
     jetzt immer mehr Mode wurde.
    David wartete schon im Flur auf sie. Er küßte sie und
     sagte: »Sie sehen wunderbar aus, Mrs. Rose.«
    Sie wurden zurück zur
     Hochzeitsgesellschaft gefahren, damit sie sich von allen verabschieden konnten, bevor sie
     abreisten, um die Nacht in London, im Claridge’s , zu verbringen. Danach würde
     David weiter nach Biggin Hill fahren und Lucy nach Hause zurückkehren. Sie würde bei
     ihren Eltern wohnen. Wenn David Urlaub hatte, konnten sie ein Landhaus benutzen.
    Eine halbe Stunde lang wurden nochmals Hände geschüttelt und Küsse ausgetauscht, dann
     gingen sie hinaus zum Auto. Ein paar von Davids Cousins hatten sich sein MG-Kabrio
     vorgenommen. Konservendosen und ein alter Stiefel waren mit Bindfäden an den Stoßstangen
     befestigt, die Trittbretter waren voller Konfetti, und »jung verheiratet« war mit
     hellrotem Lippenstift überall auf den Lack gekritzelt.
    Sie fuhren lächelnd und
     winkend ab, während die Gäste fastdie ganze Straße hinter ihnen
     füllten. Eine Meile weiter hielten sie an und säuberten das Auto.
    Es dämmerte
     bereits, als sie wieder losfuhren. Davids Scheinwerfer waren verdunkelt, aber er fuhr
     trotzdem ungemein schnell. Lucy fühlte sich sehr glücklich.
    David sagte: »Im
     Handschuhfach ist eine Flasche Schampus.«
    Lucy öffnete das Fach. Der Champagner
     und zwei Gläser waren sorgfältig in Seidenpapier eingewickelt. Er war noch recht
     kalt. Der Korken löste sich mit einem lauten Knall und schoß hinaus in die Nacht. David
     zündete sich eine Zigarette an, während Lucy den Sekt einschenkte.
    »Wir kommen zu
     spät zum Abendessen«, sagte er.
    »Na und?« Sie reichte ihm ein Glas. Sie war im
     Grunde zu erschöpft und müde, um zu trinken. Das Auto schien schrecklich schnell zu
     fahren. Sie überließ David fast den ganzen Champagner. Er begann den St. Louis Blues zu pfeifen.
    Es war ein eigenartiges Erlebnis, bei Verdunklung durch England zu
     fahren. Man vermißte plötzlich Lichter, die man vor dem Krieg gar nicht wahrgenommen
     hatte: Lichter auf Veranden von
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