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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
Autoren: Wolfgang Bödeker
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Mund, seine Augen blickten so unverwandt in die ihren, als ob er sie von allem anderem um sie herum isolieren wolle.
    "So allein und in Gedanken versunken?“ fragte er.
    "Oh, ja, ich ...“ stammelte Elaine überrascht, „Ja, ich lese etwas für mein Studium, aber ...“
    Eckhardt war bei ihrem ersten Treffen damals so plötzlich verschwunden, dass sie in ihrem Gefühl immer noch bei ihrer damaligen Überraschung war, als hätte es keine Zeit dazwischen gegeben, und als ob nur die Abfolge der Ereignisse ihr Handeln ihm gegenüber bestimmen könnte. Trotzdem, oder gerade deshalb, musste sie nun etwas sagen, und wenn es allein aus dem Grund war, um den leichten Bann der Handlungsunfähigkeit, den Eckhardt um sie zu legen schien, zu brechen.
    "Ich lerne und versuche gleichzeitig das schöne Wetter zu genießen ,“ antwortete sie endlich.
    "Ja ,“ sagte Eckhardt, „wirklich ein wunderbarer Frühlingsbeginn nicht wahr?“ Auf das Buch in ihrem Schoss deutend fuhr er fort: "Diese Theoretiker, meinen alles über die Welt der Primitiven und ihre Rituale zu wissen, wissen aber nichts wirklich. In der Beziehung sind sie doch ihren Forschungsobjekten hoffnungslos unterlegen, nicht wahr? Ich hoffe, sie haben mich nicht vergessen. Ich habe sie leider nach unserem kurzen Gespräch nicht wieder gefunden. Lassen sie uns doch irgendwo einen Kaffe trinken gehen, dann können wir uns in Ruhe unterhalten."
    Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er ihren Arm und zog sie hoch von der Bank. Etwas zu bestimmt fand Elaine. Aber sie hatte dem nichts entgegenzusetzen, und so ließ sie es mit sich geschehen.
    "Wieso unterlegen?“ wandte sie gegen sein Bemerkung ein, „Der Ethnologie geht es doch gerade darum, primitive Praktiken auf ihren rationalen Kern hin zu untersuchen, sie sozusagen zu entzaubern und..."
    Sie kam nicht dazu, auszureden.
    " Ts , ts , entzaubern," sagte Eckhard mit einem deutlich sarkastischem Unterton, "was meinen Sie, wollen wir nicht alle Zauberer in unserer Zunft sein, die Fäden in der Hand halten, bestimmen, wie die Welt zu sehen und zum Tanzen zu bringen ist?" Eckhardt machte eine wegwerfende Handbewegung: "Machen wir uns nichts vor, sonst können wir es gleich lassen."
    "Was lassen?"
    Jetzt reichte es Elaine aber langsam. Erst schlich dieser Mann sich von hinten an sie heran, dann zerrte er sie von der Bank hoch, und jetzt redete er auch noch in Rätseln. Röte stieg ihr ins Gesicht. Dieser arrogante Schnösel, solche verputzte sie doch eimerweise zum Frühstück.
    Eckhardt sah Elaine prüfend an, als wüsste er nicht, ob er nicht schon zu viel gesagt hatte. Dann blickte er plötzlich zu Boden und schien sie völlig vergessen zu haben. Den Kopf hielt er wie zum Lauschen geneigt, als hörte er Geräusche aus der Erde steigen. Er murmelte etwas, was Elaine nicht verstand, hob den Kopf wieder und sagte mit einem leicht abwesenden Unterton:
    "Fliegen, was sonst?"
    So ein Spinner, dachte Elaine ein wenig enttäuscht und zunehmend wütend. Was wollte dieser Typ von ihr? Aber ihre Empörung bildete nur das oberste Segment ihres Bewusstseins. In einer tieferen Schicht machte Eckhardts seltsames Verhalten sie langsam etwas ängstlich. Während der letzten Minuten waren keine Spaziergänger mehr zu sehen gewesen. Der Park lag zwar mitten in der Stadt, aber auf Hilfe mochte sie im Notfall nicht vertrauen, zu sehr war ihr die Gleichgültigkeit des Stadtbewohners bekannt. Die Schatten der Bäume wurden langsam länger. Mit schwarzen Fingern griffen sie nach den letzten Flecken Sonnenlicht auf der Wiese vor ihr. Aus den Augenwinkeln sah es fast so aus, als ob einer der eben noch nachdenklich knienden Marmor-Jünglinge nun eher hockend, sprungbereit, verweilte. Lauernd blickte er zu ihnen herüber, wartend auf ein Signal, um los zu sprinten und ihr seine Steinfinger in die Augen zu bohren. Angst stieg heiß in Elaine auf. Ihr Magen fühlte sich an, als hätte sie einen metallenen Gegenstand verschluckt, und von ihren Eingeweiden aus begann sich ein Zittern in ihrem Körper auszubreiten. Aber dann wurde ihre Neugierde doch größer als die Angst. Sie ahnte, dass hier mehr vorging als eine plumpe Anmache, sie hatte das Gefühl, dass sie diesen Mann auf eine ihr unklare Weise brauchte, dass sie auf ihn gewartet hatte, und mit einem Blick in sein Gesicht wurde ihr klar, dass er sie ebenso brauchte, ja, dass er ohne sie verloren wäre, während sie einfach so hätte weiter leben können wie bisher.
    Aber er nicht.
    Elaine spürte,
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