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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
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an. Seine Lippen zogen sich in einem Lächeln über sein zahnloses Zahnfleisch zurück. »Wo hast du denn gesteckt, Marja?« fragte er. »Ich habe dich die ganze Woche über nicht gesehen?«
    »Pleite gewesen«, antwortete sie freimütig. »Und ich schulde Ihnen schon genug.«
    Er stützte seine Ellbogen auf dem Ladentisch auf und blickte sie mit einem, wie er glaubte, gewinnenden Ausdruck im Gesicht an. »Aber warum denn, Marja?« fragte er vorwurfsvoll. »Ich habe dich niemals um das Geld gebeten, oder?«
    Sie zog wieder an ihrer Zigarette, gab ihm aber keine Antwort. Mit seiner Hand griff er über den Ladentisch hinweg, nahm ihre freie Hand und drückte sie. »Du weißt doch, Marja, ich freue mich immer, dich hier zu sehen.«
    Sie sah auf ihre Hand hinab, machte jedoch keinen Versuch, sie ihm zu entziehen. Ihre Augen funkelten ihn an. »Sie freuen sich über alle Mädchen, die Sie zu sehen bekommen«, entgegnete sie abweisend. »Sie mögen sie alle.«
    »Aber keine so wie dich, Marja«, erwiderte er aufrichtig. »Dich sehe ich am liebsten von allen. Dich habe ich schon immer gemocht -schon als kleines Kind.«
    »Bestimmt«, sagte sie skeptisch.
    »Ich meine es ernst«, versicherte er. »Du bist auch die einzige, der ich Kredit gebe. Ich würde sonst niemand mit drei Dollar fünfundzwanzig Schulden herumlaufen lassen, ohne hinter ihm her zu sein.«
    Langsam entzog sie ihm ihre Hand und beobachtete seine Augen, während sie etwas zurücktrat. Sie mußte lächeln, als sie sah, wie sie sich verschleierten. »Und was ist mit Francie Keegan? Die hat doch auch etwas schuldig bleiben dürfen.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über plötzlich trockene Lippen. »Aber sie habe ich doch eines Tages zahlen lassen, oder etwa nicht?« fragte er. »Von dir aber habe ich nie etwas verlangt.«
    Sie trat nun noch weiter vom Ladentisch zurück und sah sich forschend um. »Irgend etwas hat sich hier verändert«, meinte sie.
    Er lächelte stolz. »Ich habe die Hinterzimmer streichen lassen.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, als sei sie überrascht. »Ach, was!«
    »In einem hübschen Hellgrün«, fügte er hinzu. »Ich habe auch die Absicht, den Laden herrichten zu lassen, wenn ich das Geld zusammenkriegen kann.«
    »Hören Sie mir damit auf, Mr. Rannis«, antwortete sie lachend. »Sie haben doch genug.«
    Er machte ein bekümmertes Gesicht. »Das sagt ihr alle, ihr jungen Leute. Weiß gar nicht warum. Ihr seht doch, was für Geschäfte ich mache.«
    »Das ist es ja gerade«, erwiderte sie. Sie wandte sich plötzlich um und lehnte sich gegen die Glasscheibe, hinter der die Süßigkeiten lagen.
    Der alte Mann hielt den Atem an. Die Formen ihres üppigen jungen Körpers zeichneten sich deutlich gegen das Glas ab. Ihre vollen Brüste spannten ihre dünne weiße Bluse. »Möchtest du was Süßes?« fragte er.
    Sie sah ihn über den Ladentisch hinweg an. »Hab kein Geld mehr«, sagte sie lauernd.
    »Habe ich etwa was von Geld gesagt?« fragte er, beugte sich rasch hinter dem Ladentisch nieder und öffnete eine Tür. Er blickte durch das Glas zu ihr empor. »Was möchtest du denn?«
    Ihre Augen lachten, als sie den seinen begegneten. »Irgendwas. Eine Milchschokolade.«
    Ohne die Augen von ihr zu wenden, griff er nach einer kleinen Tafel. Seine Hände zitterten. Gegen das helle Licht von der Straße zeichnete sich ihr Körper in dem dünnen Rock deutlich ab. Schon seit langem hatte er diesen Aussichtspunkt entdeckt. Das war einer der Hauptgründe dafür, daß er die Beleuchtung im Laden so düster ließ. Der andere waren die hohen Stromkosten.
    Sie blickte auf ihn hinab und fragte sich, wie lange er noch dort unten bleiben wollte. Alle Mädchen aus der Gegend machten sich schon darüber lustig. Sie wußte, was er sich da ansah. Rannis’ Auslage bot Ausblicke nach zwei Richtungen, aber ihr war das gleichgültig. Er war ein geiler alter Bock, und es geschah ihm ganz recht, wenn er sich auf diese Weise ausnutzen ließ. Nach ein paar Minuten langweilte sie das kleine Spiel, und sie trat wieder an den anderen Ladentisch. Fast augenblicklich erhob er sich, eine kleine Tafel Schokolade in der Hand.
    Sein Gesicht war von der Anstrengung des Kniens gerötet. Mit einer Hand schob er ihr die Schokolade über den Ladentisch zu, mit der anderen griff er nach der ihren, als sie sie ausstreckte. Sie zog ihre Hand nicht weg, während er redete.
    »Du bist das hübscheste Mädchen in der ganzen Gegend, Marja«, sagte er.
    Verächtlich rümpfte sie die
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