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Die Mausefalle

Die Mausefalle

Titel: Die Mausefalle
Autoren: Agatha Christie
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Mrs Boyle praktisch zum einsamen Strandgut an einer unbewohnbaren Küste degradiert. Sie war immer sehr betriebsam gewesen und hatte gern Reden über Tüchtigkeit und gute Organisation geschwungen. Ihr resoluter Elan hatte alle anderen davon abgehalten, sich zu fragen, ob sie tatsächlich das effiziente Organisationstalent war. Der Einsatz für den Krieg schließlich war wie für sie geschaffen. Sie hatte Leute herumkommandiert und heruntergeputzt und Vorgesetzten Ärger gemacht und auch sich selbst – Ehre, wem Ehre gebührt – keine Sekunde geschont. Die Frauen, die unter ihr arbeiten mussten, hatten sich die Hacken abgelaufen und mit Panik auf jedes Stirnrunzeln von ihr geachtet. Und dieses ganze aufregende, geschäftige Leben war jetzt vorbei. Sie war ins Privatleben zurückgekehrt, aber ihr vorheriges Privatleben war verschwunden. Ihr Haus hatte die Armee beschlagnahmt, es musste von Grund auf repariert und renoviert werden, bevor sie es wieder bewohnen konnte, und die Schwierigkeiten bezüglich Hauspersonal ließen den Wiedereinzug ohnehin nicht tunlich erscheinen. Ihre Freunde waren in alle Winde zerstreut. Zweifellos würde sie bald wieder ein Eckchen für sich finden, im Augenblick war es aber so, dass sie auf der Stelle trat. Da schien ein Hotel oder eine Pension genau das Richtige. Und so war sie nach Monkswell Manor gezogen.
    Sie sah verächtlich um sich.
    Höchst unredlich, sagte sie zu sich, mir nicht zu sagen, dass sie gerade erst eröffnet haben.
    Sie schob den Teller noch weiter von sich. Dass das Frühstück einschließlich der Bedienung, des guten Kaffees sowie der selbst gemachten Marmelade vorzüglich gewesen war, machte sie paradoxerweise noch ärgerlicher. Es beraubte sie der Berechtigung zu Beschwerden. Auch das Bett mit den bestickten Bezügen und dem weichen Kissen war komfortabel. Mrs Boyle hatte Komfort gern, aber sie fand auch gern etwas auszusetzen. Und von beiden Vorlieben war die letztere womöglich die stärkere.
    Majestätisch erhob sie sich und ging aus dem Esszimmer. An der Tür musste sie an diesem äußerst merkwürdigen jungen Mann mit den roten Haaren vorbei. Heute Morgen trug er eine giftgrün gewürfelte Krawatte – aus Wolle!
    Überkandidelt, sagte Mrs Boyle wieder zu sich selbst. Ausgesprochen überkandidelt.
    Auch wie er sie ansah, aus dem Winkel seiner fahlen Augen – es gefiel ihr nicht. Irgendetwas an diesem leicht mokanten Blick war irritierend – unnormal.
    Geistig verwirrt, würde mich gar nicht wundern, sagte Mrs Boyle wieder zu sich.
    Sie bedachte seine bühnenreife Verbeugung mit einem knappen Nicken und marschierte in den großen Aufenthaltsraum. Dort gab es bequeme Sessel, vor allem diesen einen breiten, rosafarbenen. Am besten, sie stellte gleich klar, dass der ihr Sessel war. Sie markierte ihn mit ihrem Strickzeug, ging zur Heizung und legte eine Hand auf die Rippen. Sie waren, wie sie geargwöhnt hatte, warm, aber nicht heiß. Mrs Boyles Augen funkelten kampffreudig. Endlich etwas, worüber sie Beschwerde führen konnte.
    Sie sah aus dem Fenster. Schauderhaftes Wetter – ausgesprochen schauderhaft. Nun, lange würde sie hier ohnehin nicht bleiben – es sei denn, es kamen neue Leute und sorgten für mehr Kurzweil.
    Schnee löste sich vom Dach und rutschte herunter mit einem leisen »Wschsch«. Mrs Boyle machte einen Satz weg vom Fenster. »Nein«, sagte sie laut, »lange bleibe ich hier nicht.«
    Jemand lachte – es war ein leises, hohes, glucksendes Lachen. Sie riss den Kopf herum. In der Tür stand der junge Wren und sah sie an, wieder mit diesem seltsamen Gesichtsausdruck.
    »Nein«, sagte er, »das tun Sie bestimmt nicht.«
     
     
    3
    Major Metcalf half Giles beim Schneeschippen am Hintereingang. Er konnte kräftig zupacken, und Giles brachte seinen Dank geradezu überschwänglich zum Ausdruck.
    »Gute Übung«, gab Major Metcalf zurück. »Jeden Tag ein bisschen exerzieren. Man muss schließlich in Form bleiben.«
    So so, der Major war ein Apostel der körperlichen Ertüchtigung. Genau wie Giles befürchtet hatte. Passte auch zu seinem Wunsch, schon morgens um halb acht zu frühstücken.
    Der Major fuhr fort, als könnte er Giles’ Gedanken lesen: »Sehr schön von Ihrer Frau, mir das Frühstück so zeitig zu machen. Auch das frisch gelegte Ei war sehr fein.«
    Giles war, wegen der Erfordernisse eines Pensionsbetriebs, schon vor sieben Uhr aufgestanden. Er und Molly hatten gekochte Eier und Tee zu sich genommen und sich dann an die
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