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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
Autoren: Paul Melko
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tatsächlich wie eineiige Brüder? Außerdem wollte Prime ihm das Gerät überlassen, so dass er, noch dazu als Fremder, praktisch in diesem Universum festsaß. Das zeugte von Vertrauen.
    »Nur zwölf Stunden«, sagte Prime. »Ein Kurzurlaub. Eine Erholungspause von dem ganzen Scheiß mit Ted Carson.«
    Für einige Sekunden rang John mit sich, doch die Aussicht, ein anderes Universum zu erforschen, war einfach unwiderstehlich. »Okay. Du pflückst morgen mit meinem Vater Äpfel. Wenn er dabei nicht misstrauisch wird, ziehen wir’s vielleicht durch.« Er stutzte und sah sich Prime genau an. »Aber erst müssen wir dir die Haare schneiden und deine Wunde verarzten.«
    »Hast Recht. Das erledigen wir nachher« Prime lächelte. »Du wirst es nicht bereuen, John, wenn du mein Angebot annimmst.«
    »Aber du musst mir versprechen, hier kein Chaos anzurichten.«
    Prime nickte. »Nichts liegt mir ferner.«
     
    Prime lag ausgestreckt auf dem Scheunenboden. An seiner Wange klebten Strohhalme.
    Als John ihn anstupste, fuhr Prime mit einem Ruck hoch und griff sich an die Brust, als hätte er einen Herzinfarkt. Nein, wurde John in diesem Moment klar, das war es nicht – er überprüfte nur, ob das Gerät noch da war. Dabei hatte
er es immer noch unter den Klamotten vor die Brust geschnallt.
    »Scheiße, ist das früh«, sagte Prime und fuhr sich durch die Haare.
    »Fluch ja nicht vor meinem Vater«, bemerkte John. »So was ist er nicht gewöhnt.«
    »Ich halt mich zurück.« Prime stand auf und reckte sich. »Okay, Äpfel pflücken … ist’ne Weile her.«
    »So lange kann es auch wieder nicht her sein. Ein Jahr vielleicht? Du kommst schon wieder rein.«
    »Sicher.«
    Prime spähte aus dem kleinen Fenster. Von draußen hörte John das Tuckern des Traktors: Sein Vater war also schon zu den Obstbäumen unterwegs.
    »Wie läuft es so zwischen dir und deinem Vater? Irgendwelche Probleme?«, fragte Prime.
    John zog seine Jacke aus, reichte sie Prime und nahm im Gegenzug dessen Mantel entgegen. »Nein. Wir haben gestern Abend über die Sache mit Carson gesprochen. Er will, dass ich den Brief schreibe.«
    »Das hat sich also erledigt. Was ist mit deiner Mutter?«
    »Neulich war sie wütend auf mich. Ist sie vielleicht immer noch, wir haben seit Donnerstag nicht mehr miteinander geredet.«
    »Liegt heute Nachmittag sonst noch irgendwas an?« Prime holte einen Bleistift aus der Tasche und machte sich Notizen.
    »Nichts Besonderes bis morgen früh. Dann in die Kirche, danach wie immer: Stall ausmisten, Hausaufgaben. Aber das erledige ich dann selbst.«
    »Was musst du für Montag alles machen?«
    »Für Physik lernen, in Englisch einen Aufsatz über Edgar Allan Poe schreiben. Ein paar Aufgaben in Infinitesimalrechnung. Mehr nicht.«

    »Und wie sieht dein Stundenplan aus?«
    John wollte schon davon anfangen, doch dann schüttelte er den Kopf. »Warum willst du das wissen? Da bin ich doch längst zurück.«
    »Nur falls jemand danach fragt.«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.« John legte sich Primes Mantel um, nachdem er eine Weile mit den Ärmellöchern gekämpft hatte. Warum hatte der Mantel bloß keine Ärmel? Er blickte mit dem Fernglas hinaus auf den sonnigen Obstgarten. »Ich behalte euch von hier aus im Auge. Falls es irgendwelche Probleme gibt, tust du, als wär dir schlecht, und kommst sofort hierher. Du erzählst mir, was Sache ist, und wir tauschen wieder.«
    Prime lächelte. »Wird schon schiefgehen. Entspann dich.« Er zog die Arbeitshandschuhe an und kletterte die Leiter hinunter. »Bis zum Mittagessen!«
    Johns Hände zitterten, als er zusah, wie Prime quer über den Hof zum Obstgarten ging. Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Und doch zog ihn dieses Rätsel unwiderstehlich an, als wäre er mit Eisenspänen gefüllt und das Gerät ein extrem starker Magnet. John konnte nicht anders: Er musste herausfinden, was dieser Prime im Schilde führte. Er musste das Rätsel lösen.
    Durch das Fernglas beobachtete er, wie Prime einen Blick zurück zur Scheune warf und lächelte, bevor er die Hand hob und seinem Vater zuwinkte. Ohne aufzublicken, sagte sein Vater etwas, als Prime ihn erreicht hatte. Prime nickte, ergriff einen Ast und zog sich hinauf in den Baum. Doch sein Fuß verfehlte einen Halt – er rutschte ab.
    »Vorsicht«, hörte John sich sagen.
    Schließlich schaffte Prime es doch noch in die Baumkrone und begann, Äpfel zu pflücken. Seine Lippen bewegten sich, und Johns Vater lachte. John spürte Eifersucht in sich
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