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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin
Autoren: Martina Kempff
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Soldaten mit auf den Feldzug gegen Rußland zu schicken«, antwortete Felix in seinem artikulierten Hochdeutsch, das Juliane beinahe so komisch fand wie seinen schwankenden Gang. »So um die 16.000 Soldaten, hat der Herr Leutnant gesagt. Also laden Sie Ihren Wagen voll, Assenheimerin, bis Rußland ist's nämlich weit.«
    Das war schon möglich und selbst wenn es so weit wie Rom war – die größte Entfernung, die sich Juliane vorstellen konnte –, interessierte sie das im Moment herzlich wenig. Sie dachte nur daran, daß sie schnell eine Lizenz beantragen müßte, um sich als Marketenderin Gerters Regiment anzuschließen und daß es unerträglich sein würde, ihn heute nicht zu sehen.
    War es eigentlich vor einem Krieg immer so, daß die Straßen voller Soldaten waren? Sie machten mehr Lärm als bei einem Fest im Marketenderzelt und mit bösen Vorahnungen trieb Juliane ihre Stute an. Manchmal wäre es schon schön, männlichen Schutz zu haben, dachte sie.
    Am Totenbett hatte sie der Mutter versprochen Matthäus Schreiber zu heiraten, allerdings ohne die geringste Absicht, dieses Versprechen zu halten. Der Korporal war zwar ein anständiger Mensch und ein guter Soldat, der ihr auf künftigen Feldzügen Schutz gewähren konnte, aber sie hatte seine Heiratsanträge immer wieder abgelehnt. Wenn sie Gerter nicht haben konnte, wollte sie niemanden heiraten. Schade, daß sie ihn bei Franziska nicht angetroffen hatte. Vielleicht hatte Felix sie wirklich angelogen, als er behauptete, Gerter wäre zu seiner Schwester gefahren, um sich vor der Mobilmachung zu verabschieden. Möglicherweise ahnte der Diener sogar, daß sie in seinem Leutnant mehr sah als nur einen großzügigen Stammkunden.
    Juliane mochte diesen Mann mit seinem komisch schwankenden Gang nicht, auch wenn er sich ihr gegenüber immer ausnehmend höflich verhielt. Es kam ihr manchmal so vor, als ob er sich insgeheim über sie lustig machte, und das nahm sie ihm übel. Was erlaubte sich dieser dahergelaufene Diener eigentlich? Und wie kam er mit seinem seltsamen norddeutschen Dialekt zu den Württembergern?
    Sie fragte sich, ob es wirklich Krieg geben würde und wußte nicht, ob sie sich darüber freuen sollte oder nicht. Als Kind hatte sie mit ihrer Mutter einen Feldzug mitgemacht – welchen konnte sie nicht mehr sagen – und sie erinnerte sich nur noch daran, daß sie vor dem Lärm des Kanonendonners unter unzählige Decken im Planwagen geflüchtet war. Aber der Feldzug hatte ihrer Mutter zu einem ansehnlichen Vermögen verholfen, so daß sie sogar ein kleines Häuschen im Herzen Stuttgarts hatte kaufen können. An den Feldübungen in den darauf folgenden Jahren war bei weitem nicht so gut zu verdienen gewesen.
    »Manöver ist Silber, Krieg ist Gold«, pflegte die Mutter zu sagen.
    Mehrere Soldaten, die vor ihren Wagen sprangen, rissen Juliane aus ihren Gedanken. Ihr Herz begann schneller zu klopfen.
    »Laßt mich durch!« rief sie und schlug mit der Peitsche nach einem der Männer. Lachend wich er dem Schlag aus und sprang auf den Bock.
    »Das Fräulein bedarf einer Begleitung«, lallte er, und Juliane atmete erleichtert auf. Mit Betrunkenen hatte sie umzugehen gelernt.
    »Richtig«, erwiderte sie. »Bleib schön brav neben mir sitzen und sag deinen Freunden, daß du mich nach Hause bringst.«
    »Nichts da!« Ein anderer Soldat riß den jungen Mann vom Wagen, sprang selber auf und legte einen Arm um Julianes Schulter. Mit der anderen Hand riß er ihr das Kleid auseinander und griff nach ihren Brüsten. Johlend feuerten ihn die anderen Soldaten an. Er solle der Frau den Rock ausziehen!
    »Nein, nein!« schrie Juliane. Sie wehrte sich voller Panik, versuchte zu beißen und zu kratzen. Ihre Gegenwehr schien dem Soldaten zu gefallen. »Aha, eine Wildkatze! Dich werde ich schon zähmen!«
    »Hilfe!« rief Juliane, aber die umstehenden Männer lachten nur. Noch nie hatte sich die Marketenderin so hilflos und ausgeliefert gefühlt. Mutter, was würdest du tun, dachte sie verzweifelt, verdrängte dann ganz schnell den Rat ihrer Mutter, die ihr für solche Fälle empfohlen hatte, einfach nachzugeben. »Denk an deine Ware, dein Geld, deinen Körper« – in dieser Reihenfolge – »verhalte dich still, und es ist schneller vorbei, als du denkst. Und vergiß nicht, danach kochendes Wasser auf einen Eimer Zwiebeln zu schütten und dich eine halbe Stunde lang draufzusetzen.«
    Nein, dachte sie wütend, ich lasse mir das nicht gefallen und ich werde mir hinterher
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