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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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wahrscheinlich sofort den Krieg erklären …«
    »Besonders subtil ist Primaticcio nicht, aber er ist ein sorgfältiger Handwerker.«
    »Nur machen Sorgfalt und handwerkliches Können allein keinen großen Künstler aus.« Aus dem Park klang Gelächter zu ihnen herüber. Rosso und Luisa sahen zu den Männern dort hinüber, die fröhlich miteinander rauften. Unter ihnen waren Thiry, Penni und einige römische Stukkadore. »Manche von ihnen sind großartige Maler, die meine Vorlagen auf die beste Art umsetzen, die ich mir nur wünschen kann. Aber …« Er sah sie von der Seite an.
    »Ich verstehe, und es war nicht meine Absicht, Primaticcio zu verteidigen.«
    »Cellini beispielsweise ist ein räudiger Bastard, aber als Goldschmied vollbringt er Großes.«
    Vor ihnen tauchte das alte Schloss zwischen den Bäumen auf. Das Wasser des Teiches glitzerte in der Morgensonne, und jemand ruderte ein Boot zum kleinen Pavillon.
    »Bevor ich die Arbeiten in Fontainebleau übernommen habe, war immer Amboise das bevorzugte Schloss Seiner Majestät. Bist du schon einmal dort gewesen?«
    Luisa verneinte.

    »Leonardo da Vinci hat von 1516 bis zu seinem Tod drei Jahre später in Amboise gelebt. Der König ist besonders stolz, dass es ihm damals gelungen war, den großen alten Meister nach Frankreich zu holen. Man hat mir gesagt, dass Franz Leonardo sogar als Vater bezeichnet hat. Er liebte dessen geniale Fähigkeiten als Ingenieur und Architekt. Hast du gewusst, dass Leonardo Pläne entworfen hat, die Loire zu begradigen und die Sologne trockenzulegen?«
    »Er hat sich mit Flussläufen beschäftigt?« Sie hatte von den Kriegsmaschinen gehört, die Leonardo für den Herzog von Mailand hatte entwerfen müssen, aber warum sollte sich ein Künstler mit einem Fluss befassen?
    »Das ist wahrer Genius, Luca. Die Natur in ihrer Ganzheit zu verstehen, den menschlichen Körper zu erfassen, innen wie außen. Es gibt noch so vieles zu entdecken und zu begreifen.« In Gedanken versunken ging er eine Weile schweigend neben ihr her. Sein blauer Umhang wehte um ihn.
    So vieles, das wir nicht verstehen, dachte Luisa und sah einen alten Mönch in einem Hospital vor sich, der allem Schlechten, was sie durch die kirchliche Inquisition erfahren hatte, widersprach und Güte zeigte, wo sie Verrat und Strafe erwartet hätte. »Bruder Blasius, Gott schütze Euch«, murmelte sie.
    »Es ist gut so«, sagte Rosso unvermittelt und blieb am Rande des Teiches unter den herabhängenden Zweigen einer Weide stehen, deren dichtes Blattwerk sie vor Blicken schützte.
    Sie hatte Rosso alles erzählt. Fast alles, nur ihre Lüge vor dem König hatte sie verschwiegen. Es tat ihr gut zu wissen, dass Rosso ihre Entscheidung, Armido in jener Gruft zu beerdigen, gutgeheißen hatte. Gérard hatte sie von Chorges sicher nach Lyon gebracht. Infolge einer günstigen geographischen Lage am Zusammenfluss von Rhône und Saône und
einer für die Italienfeldzüge der französischen Könige strategisch bedeutsamen Position hatte sich Lyon lange vor Paris Italien geöffnet. Italienische Bankiers, Händler, Diplomaten und Künstler hatten italienische Kultur und Lebensart mitgebracht und die Stadt geprägt. Was Lyon jedoch zum bedeutendsten Zentrum des Humanismus neben Paris machte, waren die zahlreichen Buchdrucker und Verleger, die sich hier niedergelassen hatten.
    Robert Estienne hatte sie im Haus von Étienne Dolet erwartet, einem Buchdrucker, der vor zwei Jahren das Lexikon Commentarii Linguae Latinae veröffentlicht hatte. Dolet war ein geistvoller und freundlicher Gastgeber, und sie hatten einige Nächte dort verbracht, bevor sie zusammen mit Robert und einer Gruppe Kaufleute Richtung Norden aufgebrochen waren.
    »Ich vermisse meinen Bruder so sehr, und ich kann meiner Familie nicht einmal sagen, was geschehen ist.« Sie hatte Pietro einen kurzen Brief geschrieben und von einem Unfall berichtet. Weder Armidos Heirat noch die Vaudois noch den Prozess in Embrun erwähnte sie. Je weniger Menschen davon wussten, desto besser.
    »Es würde den Verlust nur schmerzlicher machen. Du weißt, was geschehen ist, und du hast dir nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil. Deine Loyalität deinem Bruder gegenüber ist beispiellos.« Rosso legte ihr die Hand auf die Schulter, nahm sie jedoch rasch wieder fort, als sie Stimmen auf dem Rasen hörten.
    Seit ihrer Rückkehr hatte sich auch das Verhältnis zu Rosso verändert. In der Öffentlichkeit war er noch zurückhaltender im Umgang mit ihr geworden,
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