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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
Autoren: Willy Seidel
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glänzte wie ein Spiegel. Unheimliche Mengen von Vaseline mußte sie draufgeschmiert haben, die Miß Josephine; so steif war der Kitt! Und so gut hielt er die Fasson! Und dabei tanzte sie jetzt, was man den Hahnenschritt nennt: die Brust war in Ruhe, doch die langen, glatten, zärtlichen Beine mit durchgedrückten Grübchenknien übten Paradeschritt.
    Mit einemmal schwang sie einen großen Überwurf aus Straußenfedern von allen Farben und wickelte sich hinein. Wechselnd kamen ihre Gliedmaßen darunter hervor. Aus dem wallenden Geriesel tauchten die Arme mit rund nach oben gedrehten Fingern. Damit schnalzend, sank sie in den Hocksitz zusammen, ein bunter Haufe leichtesten Materials, und nur das impertinente Vogelköpfchen guckte oben noch heraus. Rollende, flüssige Augen, blau untermalt . . . Und die Lippen waren durch lackrote Schminke zum Amorbogen umgeschaffen! Dabei blieben es braune Sauglippen, schelmisch gespitzte . . .
    Jetzt war der Tanz zu Ende. Miß Baker also hatte sich endgültig aufs Parkett gesetzt, war gleichsam im Fallschirm ihres Federgewandes niedergesunken. Beifall brauste.
    Sie wand sich wieder heraus wie ein brauner Nachtfalter aus buntem Kokon, und ein paar beflissene Herren räumten die Pracht hinweg.
    Auf einmal hatte sie einen Stoß von Papierfächern in der Hand, auf die ihr Name in goldenen Buchstaben gepinselt war, und verteilte dieselben an die Leute, die ihr gefielen. Ganz recht hatte die Empfangsdame gehabt: die »Peperl« bevorzugte die alten Herren. Was nun auch immer ihr halbafrikanischer Gedankengang dabei sein mochte (vom Utilitätsprinzip der
U.S.A.
überfärbt) – jedenfalls hielten die paar alten Herren sehr still, als sie ihnen Killekille machte.
    Sie nahm es dabei durchaus nicht genau, welcher Greis den Hauch ihres braunen Leibes zu schlürfen bekam, und sie schnupperten an ihr wie an einer Havannazigarre, die ihnen zu teuer war. Teufel ja, was wurden sie lebendig! Elektrisiert, wie durch Berührung mit dem Äquator selbst! –
    Hätte O'Neill die Tänzerin so erblickt: er hätte sie als Dramatische Erlösung, als trostreiche Göttin seinem armen »Emperor Jones« zugesellt, als die Dämonen des WooDoo und die Phantome des Sklavenmarktes, [die] dessen Herz unter dem zerfetzten Hermelin so maßlos ängstigten. Denn nahm Miß Baker nicht jedesmal, wenn einer unserer weißen Sklavenhalter verlangend nach ihrem goldbraunen Fleisch griff und einen Klaps von ihr erntete, subtile historische Rache für Jahrhunderte martervollen Rasseleids? Hatte der kindliche »Schwarze Mann« die blutbespritzte Ebenholzmaske, die sein Wappen gewesen, mit ihrer Hilfe nicht endgültig zertrümmert? Hatte er nicht mit diesem klappernden »Step« das Sausen der Peitschen erstickt? War es nicht seine alte Wäldertrommel, mit der seine späten verpflanzten Nachfahren den Sensationshunger einer entarteten weißen Welt bis zum Taumel sättigten? Wies nicht der Finger dieser braunen Diva einen endlosen Kalvarienweg zurück, und war sie nicht die Apotheose, die die letzten Scheiterhaufen des Judge Lynch siegreich überflammte? – – Emperor Jones war in sein wahres Erbe eingetreten!
     
    Lachend, gurrend wand sich das farbige Fräulein zwischen den Tischen hindurch, – ein mildes exotisches Tier; jeder fühlte das Bedürfnis, es zu streicheln, und Herr Perlafinger machte jetzt durchaus keine Ausnahme mehr.
    Vielleicht, weil er so auffällig vorhin geklatscht, nahm sie ihn besonders aufs Korn. Der Saal bemerkte es schmunzelnd. Der Hofrat sah sich hilfesuchend um, als die braune Hand in seinem prächtigen Kaiserbart kraulte. Zudem war soviel Nacktheit, in allernächster Nähe und in breitester Öffentlichkeit, beklemmend. Es gab keinen Präzedenzfall, nach dem er sich hätte richten können. Doch weil die Peperl gar so liebenswürdig lächelte mit ihrer porzellanenen Zahnpracht, und alle Welt so gut gelaunt schien, starb seine Bedenklichkeit.
    Nun nahm Miß Baker (keineswegs von Hemmungen geplagt!) einfach Platz an seinem Tisch. Jessus! – Sie war ein bißchen müd' und spannte sich aus. Sie setzte sich im Reitsitz auf den Stuhl. Nicht ein bisserl transpirierte sie, und ganz eigenartig duftete sie. Man hatte ihr in Paris ein paar Fläschchen verraten, einen aufpulvernden Extrakt, den sie sorgfältig und pünktlich jeden Abend über sich verspritzte. – Sie schwang also ihre hochversicherten Bronzebeine über den Stuhl; Herr Perlafinger war ihr sympathisch. Und sie tippte ihm auf den Bauch und
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