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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman
Autoren: Konrad Hansen
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verliefen sie in derselben Richtung wie er, oder sie führten im rechten Winkel auf ihn zu. Die Häuser standen so nahe beieinander, daß ihre Dächer sich fast berührten und zwischen ihnen kaum Platz genug für einen schmalen, mit Bohlen belegten Durchgang blieb. Sie waren allerdings von unterschiedlicher Größe: Einige Häuser nahmen doppelt oder dreifach soviel Raum ein wie die anderen und waren zudem noch von einem Zaun aus Weidenflechtwerk umgeben. Diese gehörten Händlern, die dort ihre Waren lagerten, oder Männern, die ihrem Ansehen ein weiträumiges Haus schuldig zu sein glaubten. Zwei Gebäude jedoch übertrafen selbst diese noch an Größe: die Kirche des Bischofs und das Haus, in dem der König wohnte, wenn er die Stadt besuchte.
    In ihrer Ausdehnung war die Stadt nicht viel größer, als Björn sie sich vorgestellt hatte. Aber nie hätte er geglaubt, daß so viele Häuser innerhalb des Walles Platz finden würden. Und noch mehr erstaunte ihn die Zahl ihrer Bewohner. Während des Sommersherrschte in den Straßen und Gassen bisweilen ein solches Gedränge, daß es unmöglich war, einen Schritt zu tun, ohne jemanden anzurempeln.
    In den ersten Monaten bekam er jedoch wenig von der Stadt zu sehen. Vagn verbot ihm, sein Haus zu verlassen, das nahe der Stelle lag, wo der Bach in einer Röhre durch den Wall floß. Nach starken Regenfällen trat der Bach über die Ufer und ergoß sich in Vagns Hütte. Dann füllte sie sich mit dem beißenden Qualm des erlöschenden Herdfeuers, und der Lehmboden verwandelte sich in klebrigen Schlamm. Vagns Hütte bestand nur aus einem Raum; zu beiden Seiten der Feuerstelle waren Felle ausgebreitet, auf denen Vagn und seine Frau am Tage saßen und nachts schliefen. Björn bekam ein Strohlager im hinteren Teil der Hütte zugewiesen, wo es kalt und dunkel war.
    Wie Vagns Frau hieß, erfuhr Björn nicht, denn Vagn nannte sie nie beim Namen. Sie war noch kleiner als Björn und an den Hüften nicht breiter als Vagns Oberarm, doch sie hatte eine Art, ihren Mann aus schmalen Augenschlitzen anzufunkeln, daß dieser ihr ohne Murren gehorchte. Sobald sie aber aus dem Haus gegangen war, pflegte Vagn auf Björn einzudreschen, als wolle er ihn dafür strafen, daß er Zeuge seiner Erniedrigung geworden war. Besonders grausam konnte er sein, wenn seine Frau ihn in der Nacht abgewiesen hatte und er sich schnaufend selbst Erleichterung verschaffen mußte. Dann kam es vor, daß er Björn durch das Rauchloch im Giebel hob und ihn dort hängen ließ, bis seine Kräfte erlahmten und er ins Feuer fiel. Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr Björn, was es heißt, einen Menschen zu hassen, und er schwor sich, es Vagn eines Tages heimzuzahlen.
    Zu Beginn des Sommers, als die Zeit der Sklavenmärkte kam, forderte Vagns Frau ihren Mann auf, Björn zu verkaufen. Einer, der selbst von der Hand in den Mund lebe, könne sich keinen Sklaven halten, meinte sie, und wenn dieser auch nur Abfälle zu essen bekäme, sei es nützlicher, an seiner Stelle ein Schwein zu mästen.
    Diesmal schien es Vagn schwerer als sonst zu fallen, seiner Frauzu gehorchen. Er wandte ein, zur Zeit sei es mit der Nachfrage noch schlecht bestellt, daher werde sich kein guter Preis erzielen lassen. Aber als seine Frau ihn eine Weile unverwandt angeblickt hatte, fügte er sich und brachte Björn, nachdem er ihm zuvor die Hände auf dem Rücken zusammengebunden hatte, zum Hafen hinunter.
    Dort, auf einer freien Fläche zwischen einem Lagerhaus und einer Schiffswerft, fand der Sklavenmarkt statt.
    Es war der erste Markt in diesem Jahr. Noch waren die großen Sklavenhändler nicht mit ihrer Beute aus fernen Ländern heimgekehrt, und deshalb mußte man mit jenen vorliebnehmen, die entweder aus eigenem Antrieb in die Stadt gekommen waren, weil sie die Knechtschaft dem Hungertod vorzogen, oder die man bei Überfällen auf wendische Dörfer gefangengenommen hatte. In der Mehrzahl waren es junge Männer und Frauen, aber Björn sah unter ihnen auch Kinder, die paarweise aneinandergekettet waren und für den Preis eines Erwachsenen feilgeboten wurden.
    Einige Männer gingen zwischen den Sklaven umher, befühlten hier einen Arm, dort eine Brust, verlangten von diesem, die Zähne zu sehen, von jenem, daß er sich nackt ausziehe, jungen Frauen steckten sie einen Finger in die Scheide, um festzustellen, ob sie noch Jungfrauen waren, aber die Erwartung eines größeren und reichhaltigeren Angebots dämpfte ihre Kauflust merklich. Wenn sie den Preis
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