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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Geiseln eines Bankraubes. Jan stellte verwirrt fest, dass eine seiner Werkzeugkisten umgekippt auf dem Wohnzimmertisch lag: Kneifzangen, Kabel, Strommessgerät und Isolierband waren über die ganze Glasplatte verteilt. Erst dann begriff er, dass Annes Hände und Füße mit Klebeband am Boden festgeklebt waren. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos. Sie sah weder verängstigt noch wütend aus, eher … Er wusste nicht, wie er es bezeichnen sollte. »Entschieden« war zu schwach. Ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie Schatten im Schnee.
    Die andere Frau lag in ähnlicher Haltung da, aber ihr einer Arm war eingegipst, so dass er in einem anderen Winkel am Boden befestigt war. Sie hat Ähnlichkeit mit Aleksander, dachte Jan, und gleich darauf wurde ihm schmerzlich bewusst, wer diese Frau sein musste. Er hatte keine Ahnung, was sie hier machte, aber sie konnte niemand anderes sein als die biologische Mutter seines Sohnes.
    Aus einem seiner Nasenlöcher tropfte Blut, das er unwillkürlich wegwischte. Er musste sich zusammenreißen, musste versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, und nicht so mit sich umspringen lassen. Er drehte sich zu dem Litauer um.
    »Das ist doch nicht notwendig«, sagte er langsam und überdeutlich auf Englisch, um sicherzugehen, dass der Mann ihn verstand. »Was wollen Sie?«

    »Das, was Sie mir schulden«, sagte der Mann.
    »Gut. Und wo ist das, was Sie mir schulden?«
    Der Mann stand einen Augenblick lang reglos auf der Stelle, dann zeigte er mit der Pistole die Richtung an. »Da lang«, sagte er.
    Aleksanders litauische Mutter rief irgendetwas Unverständliches, und der Mann fuhr sie ungehalten an, worauf sie verstummte.
    Jan dachte angestrengt nach. Vielleicht war es das Geschickteste, den Mann aus dem Wohnzimmer zu locken, weg von Anne. Wenn er nur Aleksander loslassen würde. Aber das tat er nicht. Jan sah, welch panische Angst sein Sohn hatte. Seine Augen wirkten riesengroß in dem blassen Jungengesicht, und über seine Wangen zogen sich Tränenränder. Jan versuchte es mit einem Lächeln, merkte aber selbst, wie verkrampft er war.
    »Alles in Ordnung, Sander«, sagte er. »Der Mann geht gleich wieder.«
    »Shut up!«, fuhr ihn der Litauer an. »Sprechen Sie Englisch. Ich will nicht, dass Sie Dinge sagen, die ich nicht verstehe.«
    »Ich hab dem Jungen nur gesagt, dass er keine Angst zu haben braucht.«
    »Tun Sie das nie wieder.«
    »Okay, okay.« Nur nicht provozieren. Oder … nur nicht noch mehr provozieren. Die unterdrückte Aggression des Mannes war in jeder seiner Bewegungen zu spüren.
    Sie gingen durch den Flur und über die Treppe nach unten zur Hintertür. Der Mann forderte Aleksander auf, sie zu öffnen. Mit der Pistole in der Hand drückte er auf den Lichtschalter in der Garage.
    Jan sah ein fremdes Auto, in dem ein Kind saß.
    Er erkannte sofort den Jungen von dem Foto. Was hatte er hier zu suchen? Jan wollte nicht das Kind. Er wollte seine Niere.

    »Was macht er hier?«, fragte er den Litauer, während ihm allmählich ein Licht aufging. Der Litauer hatte nie vorgehabt, ihm ein für eine Transplantation vorbereitetes Organ zu liefern. Wie hätte er das auch bewerkstelligen sollen? Er hatte weder die nötigen Verbindungen zu Ärzten noch Zugang zu der notwendigen Technologie. In dem Koffer, den Karin am Bahnhof hätte abholen sollen, war nie eine Organbox gewesen, sondern ein lebendiges Kind.
    Karin.
    Kein Wunder, dass sie Panik bekommen hatte.
    »Das war nicht abgemacht«, sagte er heiser, »Sie haben nichts von einem lebenden Kind gesagt.«
    »Perfect match«, meinte der Litauer. »Der gleiche Vater, die gleiche Mutter. Now you pay.«
    »Selbstverständlich.« Mühsam unterdrückte er das Zittern in seiner Stimme. »Gehen wir wieder nach oben. Da bekommen Sie Ihr Geld.«
    Der Litauer knipste das Licht wieder aus. Der Junge im Auto hatte sich während der ganzen Zeit nicht einen Millimeter gerührt. Jan empfand Mitleid mit ihm.
     
    »Dollars«, sagte der Mann. »Nicht … das da.« Er zeigte mit der Pistole auf Jans Laptop.
    »Aber ich kann das Geld auf ein Konto überweisen, auf das nur Sie Zugriff haben«, versuchte es Jan, sah aber schnell ein, dass es nicht fruchtete. Leuchtende Ziffern auf einem Computerbildschirm waren in der Welt des Litauers kein Geld. »Aber so viel habe ich bar nicht da!«
    Der Mann kam zu ihm und stellte sich dicht vor ihn, Aleksander noch immer im Würgegriff, als wäre der Junge ein Spielzeug, das er gedankenlos mit sich
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