Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
nichts. Wo war sie? Wo war Mikas?
    »Wir müssen Ihnen einen Schlauch in den Hals schieben. Wenn Sie schlucken, ist es weniger unangenehm.«
    Schlauch? Wieso wollten sie, dass sie einen Schlauch schluckte? Ihr verwirrtes Gehirn schickte sie für einen kurzen Augenblick zurück zu den absurden Wetten auf dem Schulhof. Du kriegst einen Litas, wenn du dich traust, den Nagel ins Nasenloch zu stecken. Du kriegst einen Litas, wenn du diesen Regenwurm runterschluckst. Dann begann sie zu begreifen.
Ein Plastikschlauch, natürlich. Sie war in einem Krankenhaus, und sie wollten ihr einen Schlauch einführen. Aber warum?
    Sie konnte ihnen nicht helfen. Merkten sie denn nicht, dass sie dabei war zu ersticken? Sie wehrte sich, worauf ein neuer Schmerz durch den Nebel in ihr Bewusstsein drang. Ihr Arm.
    Mit einem Plastikschlauch im Hals lässt es sich nicht gut schreien, stellte sie fest. »Mikas.«
    »Was sagt sie?«
    »Wo ist Mikas?«
    Sie schlug die Augen auf. Ihre Lider fühlten sich schwer und fremd an, aber sie zwang sich, sie zu öffnen. Das Licht war grell und weiß wie Milch. Sie erahnte zwei Frauen als dunklere Umrisse vor dem weißen Hintergrund. Krankenschwestern oder Pflegerinnen, so genau konnte sie das nicht erkennen. Sie waren dabei, das Bett neben ihrem herzurichten.
    »Wo ist Mikas?«, sagte sie, so deutlich sie konnte.
    »Seien Sie ganz ruhig, Frau Ramoškienė.«
    Es muss etwas passiert sein, dachte sie. Ein Autounfall, oder etwas mit dem Bus. Darum kann ich mich an nichts erinnern. Mit den Gedanken kam die Angst. Was war mit Mikas geschehen? War auch er zu Schaden gekommen? War er tot?
    »Wo ist mein Sohn?«, rief sie. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
    »Jetzt beruhigen Sie sich aber, Frau Ramoškienė, legen Sie sich hin!«
    Die eine Frau versuchte sie ins Kissen zurückzudrücken, aber Sigitas Angst war zu groß. Sie stand aus dem Bett auf und stellte dabei fest, dass der eine Arm schwerer als der andere war. Dann schwappte auch schon wieder die Übelkeit wie eine bittere grüne Welle in ihr hoch. Sie erbrach saure Flüssigkeit, und ihre misshandelte Speiseröhre schmerzte derart, dass sich alles drehte. Sie konnte weder Arme noch Beine bewegen und sackte wie ein nasser Sack auf dem Boden zusammen.
    »Mikas. Ich will Mikas sehen!«
    »Er ist nicht hier, Frau Ramoškienė. Ich nehme an, dass er bei Ihrer Mutter ist oder einem anderen Verwandten. Oder bei einem Nachbarn. Es geht ihm sicher gut. Legen Sie sich jetzt wieder hin und regen Sie sich nicht so auf. Wir haben hier viele sehr kranke Patienten, die Ruhe brauchen!«
    Die Krankenschwester half ihr zurück ins Bett. Zuerst war Sigita einfach nur erleichtert. Mikas war nichts geschehen! Aber dann begriff sie, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.
    Sie versuchte, das Gesicht der Frau scharf zu stellen. Es war etwas mit dem Tonfall ihrer Stimme, darin lag kein Mitgefühl, eher das Gegenteil. Verachtung.
    Sie weiß etwas, dachte Sigita benommen. Sie weiß, was ich getan habe. Aber woher? Wieso sollte eine Krankenschwester in einem Krankenhaus irgendwo in Vilnius darüber Bescheid wissen? Wo es doch schon so viele Jahre her war?
    »Ich will nach Hause«, sagte sie mit breiiger Stimme durch ihre Übelkeit. Mikas konnte nicht bei ihrer Mutter sein. Wenn, dann höchstens bei der Nachbarin, Frau Mažekienė, aber die war ziemlich betagt und wurde schnell müde und ungeduldig, wenn sie zu lange auf Mikas aufpassen musste. »Mikas braucht mich.«
    Die andere Krankenschwester warf ihr von der abgewandten Seite des Nachbarbettes einen Blick zu und glättete den Kissenbezug mit energischen, präzisen Handgriffen.
    »Daran hätten Sie vielleicht früher denken sollen«, sagte sie.
    »Was … woran?«, stammelte Sigita. Hatte sie den Unfall verschuldet?
    »Bevor Sie sich um den Verstand trinken, wenn Sie es genau wissen wollen.«
    Trinken??

    »Ich trinke keinen Alkohol«, sagte Sigita. »Oder … so gut wie nie.«
    »Aha. Dann war es also ein Irrtum, dass Sie mit 2,8 Promille ins Krankenhaus gebracht wurden und wir Ihnen den Magen ausgepumpt haben?«
    »Aber ich … ich trinke wirklich keinen Alkohol.«
    Das hatte nichts mit ihr zu tun. Das musste ein Missverständnis sein.
    »Ruhen Sie sich aus«, sagte die erste Krankenschwester und legte ihr die Decke über die Beine. »Vielleicht können Sie später entlassen werden, wenn der Arzt hier war.«
    »Was fehlt mir denn? Was ist passiert?«
    »Sie sind eine Treppe hinuntergefallen. Gehirnerschütterung und Fraktur des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher