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Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Titel: Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Autoren: Bas Kast
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Federkleid?
    In der Natur überleben vor allem die Tiere, sagte Darwin, die sich optimal an ihre Umwelt anpassen. Tiere, die besonders stark, schnell, intelligent, gut getarnt sind. Sie schneiden beim Kampf ums Dasein erfolgreicher ab als ihre Konkurrenten und setzen so mehr Nachkommen in die Welt.
    Der Haken an der Sache: Nach dieser Theorie dürfte es den Pfauenschwanz nicht geben. Nicht nur, dass er fürs Überleben vollkommen nutzlos ist, er ist sogar hinderlich. Sowohl bei der Futtersuche als auch beim Ausweichen vor Feinden steht die lange Schleppe nur im Weg. Die hübschen Pfauenfedern, musste Darwin verbittert feststellen, waren eine theoretische Unmöglichkeit.
    Aber es gab sie, und jede einzelne von ihnen schien sein geniales Gedankengebäude in Frage zu stellen, ja geradezu ins Lächerliche zu ziehen. Und das Schlimmste von allem war, dass der Pfauenschwanz sich nur als ein Beispiel von vielen herausstellte. Bunte Schmetterlinge, ehrgeizige Singvögel, schillernde Kolibris, exotische Blüten – wohin Darwin auf seinen Reisen um die Welt blickte, überall traf er auf eine hemmungslose Verschwendung, wie sie sich die Natur eigentlich gar nicht leisten dürfte. Überleben der
Bestangepassten, das mochte ein guter Ansatz sein, aber der Gedanke griff ganz offensichtlich zu kurz.
    Schließlich kam Darwin auf die zündende Idee. In der Evolution, dämmerte dem Naturforscher, kommt es nicht bloß darauf an zu überleben. Der Kampf ums Dasein ist wichtig, ja, aber er ist lediglich ein Mittel zum Zweck. Letzten Endes zählt nur eins: die Fortpflanzung.
    Jedes Tier, und sei es noch so ein fantastischer Überlebenskünstler, steht früher oder später vor dem lästigen Problem, ein anderes Tier finden zu müssen, das bereit ist, sich mit ihm zu paaren. Es kann so gut an seine Nische angepasst sein, wie es will, wenn es dem Tier nicht gelingt, wenigstens einmal in seinem Leben einen Artgenossen zur Paarung zu überzeugen, endet sein Erbgut in einer evolutionären Sackgasse. Seine Überlebenskunst war dann, entwicklungsgeschichtlich gesehen, für die Katz.
    Damit hatte Darwin die Lösung. Der Schmuck, dieser ganze nutzlose Überfluss, den er überall in der Natur antraf, war gar nicht nutzlos, er war dazu da, das andere Geschlecht anzulocken. Die Funktion des Pfauenschwanzes bestand darin, Pfauenhennen zu beeindrucken.
    Der Biologe hatte Recht. Und doch wurde seine Theorie der »sexuellen Auslese« lange vernachlässigt. Dabei wirft sie auch Licht auf den Luxus, den wir Menschen uns leisten, meint der Evolutionspsychologe Miller. Nur, welchen Luxus? Wir haben schließlich keinen bunten Schweif, mit dem wir das andere Geschlecht ködern könnten.
    Wir haben zwar keine glänzenden Federn, sagt Miller, dafür haben wir einen glänzenden Kopf. »Die beeindruckendsten Fähigkeiten des menschlichen Geistes gleichen dem Pfauenschwanz«, schreibt der Forscher in seinem Buch Die sexuelle Evolution. »Sie sind Werkzeuge zur Partnerwerbung.« [70]
    Kunst, Musik, Humor, Tanz, Moral, Dichtung, Religion, die Fähigkeit, einen Roman wie Krieg und Frieden schreiben oder ein Chorkonzert wie das Requiem von Mozart komponieren zu können – all das, was den Kern unserer Kultur auszeichnet, lässt sich mit dem Verweis auf den Kampf ums Dasein ebenso wenig erklären
wie der Pfauenschweif. Wer mit einem Säbelzahntiger fertig werden will, dem bringt eine poetische Ader wenig. Gute Witze lassen sich nicht braten. Aber Humor ist sexy.
    Nun gut, ließe sich einwenden, aber steht Humor etwa dem Überleben im Weg? Ist er hinderlich wie ein Pfauenschweif? Das ist nicht der Punkt, sagt Miller. Es geht nur darum, dass wir vieles, was wir können, nicht zum Überleben brauchen. Dabei verursachen diese Fähigkeiten gewaltige Kosten. Wir investieren Jahre, üben immer wieder, bis wir es im Schreiben, beim Singen oder in der Mathematik zur Meisterschaft gebracht haben, als ginge es dabei um Leben und Tod.
    Ein besonderes Beispiel ist die Kommunikation. Sie steht dem Überleben weiß Gott nicht im Wege, im Gegenteil. Sie ist nützlich. Aber würde es für den Kampf ums Dasein nicht reichen, wenn wir uns unseren Artgenossen einigermaßen verständlich machen könnten? Wozu diese enorme Perfektion? »Die menschliche Sprache entwickelte sich weitaus facettenreicher, als es zum bloßen Überleben notwendig gewesen wäre«, stellt Miller fest. [71] Wozu?
    Gerade die Fähigkeiten, die wir an uns so bewundern, glaubt der Forscher, entwickelten sich, um das
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