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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen
Autoren: Frederique Deghelt
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ein Himmel für uns, voller Schatten, voller Licht und Bewegung … Alles ist eins … Wir sind zwei.
    Von der Küche aus sehe ich Pablo in einem Sessel am Kamin sitzen. Er hat einen schwarzen Rolli an, eine Jeans, und er sieht aus wie der Mann, den ich eines Tages auf einer Party kennenlernte.
    Ich stelle das Tablett vor ihm ab, und wir trinken einen Schluck, ohne auszusprechen, was uns auf der Zunge brennt. Insgeheim muss ich lächeln, ich denke an Lucas. Man kann die Stille zwischen den Geräuschen hören, also die Gedanken.
    »Ich versuche mich in deine Situation hineinzuversetzen«, sagt Pablo. »Du erinnerst dich überhaupt nicht an unsere Liebe. So ist es doch, oder? Du hast unsere Liebe verschwinden lassen.«
    »Ja, so ist es wohl, unsere Liebe.«
    Er fährt fort, hält einen Monolog, der parallel zu meinen Gedanken läuft: »Mit den Jahren definiert sich ein Paar über die Erinnerung an seine Vergangenheit. Und was ist mit der Gegenwart? Was fängt man mit den großartigen Erinnerungen an, wenn die Gegenwart trivial ist? Wie langekann man eine Beziehung aushalten, die nur aus der Erinnerung an ihren vergangenen Glanz besteht?« Pablo lächelt. »Du bist schon einen Schritt weiter, nicht wahr?«
    »Aber das nützt mir nicht viel, ich habe keinen Weg gefunden, mich über die Situation hinwegzutrösten. Ich lebe von einem Tag in den nächsten, mit vielen Ängsten und Zweifeln und mit wenigen Gewissheiten.«
    »Marie, fändest du es schlimm, wenn ich mir ein paar Tage Auszeit zum Nachdenken nehme? Ein paar Tage ohne dich und die Kinder? Ich möchte allein sein. Mir geht vieles durch den Kopf, ich würde mir gern über ein paar Dinge Klarheit verschaffen. Und ich habe noch eine Bitte: Ich möchte, dass du mir deine Aufzeichnungen anvertraust, ich würde sie gern in meiner selbst gewählten Einsamkeit noch einmal lesen … Du wirkst so nervös. Hast du Angst?«
    »Ja, ich habe Angst.«

    Die letzten drei Tage vor Pablos Klausur, wie ich es nenne, verbringen wir in friedlicher Eintracht. Dunkel und Licht vermengen sich. Pablo bringt oft durcheinander, was ich noch weiß und was ich vergessen haben könnte. Manchmal muss ich ihn mit Gesten beschwören, etwas diskreter zu sein. Ich möchte nicht, dass die Kinder von der Amnesie ihrer Mutter erfahren. Sie haben ohnehin schon zu viel mitbekommen. Ich mache mir nach wie vor Notizen zu Ereignissen und Menschen, die mir entfallen sind. Pablo kann viele der fehlenden Puzzleteilchen ergänzen.
    »Wer ist ›Cacahuète‹?«
    »Youris Schwimmlehrer.«
    Das Bild von Nicole? – Ein Pastellgemälde, das den Himmel an einem Unwettertag zeigt und in das ich mich auf den ersten Blick verliebte. Ich kaufte es in einer Galerie in Arles, angeblich habe ich sogar mit der Künstlerin zu Mittag gegessen. Unsere Hochzeit? – Dieses Stichwort hatte ich mir in Großbuchstaben auf eine ganze Seite geschriebenfür den Tag, an dem ich mit Pablo sprechen würde. Und dieser Tag ist nun gekommen.
    »Warum haben wir in Venedig geheiratet? Wer war dabei? Wer hat mein Kleid ausgesucht? Wie haben wir den Tag verbracht?«
    Pablo zählt die Namen aller Freunde auf, die dabei waren. »Sieh mal hier: Das ist der Palazzo von Francesco, und hier der Palazzo Pisani, in dem wir gefeiert haben.« Er verblüfft mich mit einem dreitägigen Märchen in Kostümen des 18. Jahrhunderts. Wir waren Verlobte aus einer anderen Zeit. Er erzählt von dem Maskenball am zweiten Abend bei Conte Targheta. Vom Nebel, von den Glocken …
    Venedig ist auch so eine Liebesgeschichte zwischen uns, die verrückte Idee nach einem Abendessen mit Champagner. Auf dem Nachhauseweg riefen wir dem Taxifahrer ziemlich beschwipst zu: »Nach Venedig, Monsieur!« Und der nahm die Herausforderung an: »Alles klar! Kein Problem für mich, ich fange meine Schicht gerade erst an. Morgen früh sind wir da.« Er hat es getan! Wir sind losgefahren. Weder Pablo noch ich kannten diese Stadt, als wir bei Sonnenaufgang ankamen. Wir haben gemeinsam mit unserem Fahrer so gelacht, dass er uns einen Freundschaftspreis machte. So verbrachten wir unsere erste Woche in Venedig, im Frühling. Und diese Laune zog gleich eine weitere nach sich: die Entscheidung, zwischen Land und Wasser zu heiraten und zu diesem privaten Karneval unsere Liebsten einzuschiffen. Er beendet seine Erzählung, indem er mir zuflüstert, sein größter Wunsch sei, dass ich mich wieder an diese drei Tage erinnerte … und an die Geburt der Kinder. Nur diese vier Dinge, dann wäre er
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