Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
feiern. Das hoffe sie. Wirklich. Der Arbeits-Attache schlug vor, sie könnten ja eine Party für Elke und ihre Freunde geben, vielleicht ein Käse-Fondue, das er selbst vorbereiten könne. Denn meine Frau - wie er hinterher immer wieder rührend wiederholte - ist eine Kibbuznik, Sir, und hat mit der feinen Küche nicht viel im Sinn.
    Hier etwa begann von der Straße her das Hupen des Wagens oder Taxis. Lage etwa mittleres C., mehrere kurze helle Töne, drei ungefähr. Sie schüttelten sich die Hand, und sie gab ihm den Schlüssel. Dabei bemerkte der Arbeits-Attache zum erstenmal, dass sie weiße Baumwollhandschuhe trug, doch sei sie die Art Mädchen gewesen und der Tag stickig, wenn man einen schweren Koffer schleppt. Infolgedessen weder die Handschrift noch Fingerabdrücke auf dem Block, und auf Koffer und Schlüssel auch nicht. Die ganze Begegnung hatte, wie der arme Mann hinterher schätzte, fünf Minuten gedauert. Länger nicht, wegen des Fahrers. Der Arbeits-Attache hatte ihr nachgesehen, wie sie den Gartenweg hinunterging - eine hübsche Art zu gehen, sexy, ohne bewusst aufreizend zu sein. Er hatte die Tür geschlossen, gewissenhaft die Sicherheitskette wieder vorgelegt und dann den Koffer in Elkes Zimmer getragen, das im Erdgeschoß lag, und ihn auf das Fußende des Bettes gelegt, wobei er fürsorglich noch daran gedacht hatte, ihn flach hinzulegen, weil das besser für die Kleider und die Platten sei. Den Schlüssel hatte er obendrauf gelegt. Seine Frau, die im Garten unverdrossen harte Erde mit der Hacke bearbeitete, hatte nichts gehört, und als sie später hereingekommen war, um sich zu den beiden Männern zu setzen, hatte ihr Mann vergessen, ihr davon zu erzählen. Hier kam es zu einer kleinen und sehr menschlichen Richtigstellung.
    Vergessen? fragten die israelischen Ermittler ungläubig. Wie es denn möglich sei, solche häuslichen Umstände, bei denen es um eine Freundin von Elke aus Schweden ging, einfach zu vergessen! Wo der Koffer doch auf dem Bett gelegen habe? Der Arbeits-Attache brach abermals zusammen und gab zu, nein, vergessen habe er die Sache eigentlich nicht. Dann was? fragten sie.
    Es sei mehr... es sah so aus... als ob er - auf seine einsame, innere Weise - zu dem Schluss gekommen sei, gesellschaftliche Dinge hätten im Grunde aufgehört, seine Frau im geringsten zu interessieren, Sir. Ihr einziger Wunsch sei es, in ihren Kibbuz zurückzukehren und frei und ohne das alberne diplomatische Getue mit Menschen zu verkehren. Anders ausgedrückt - nun, das Mädchen war so hübsch, Sir - nun, vielleicht täte er besser daran, sie für sich zu behalten. Und was den Koffer betrifft, nun, meine Frau geht nie in Elkes Zimmer, verstehen Sie - ging, meine ich -, Elke kümmert sich selbst um ihr Zimmer. Und der Talmud-Gelehrte, der Onkel Ihrer Frau? Dem hatte der Arbeits-Attache auch nichts gesagt. Von beiden bestätigt. Sie schrieben es kommentarlos hin: sie für sich zu behalten .
    Wie ein Geisterzug, der plötzlich von den Gleisen verschwindet, hatte damit der Gang der Ereignisse ein Ende. Elke, der Wolf tapfer zur Seite stand, wurde nach Bonn zurückgeholt und kannte keine Katrin. Elkes Privatleben wurde durchforstet, doch das brauchte seine Zeit. Ihre Mutter hatte weder einen Koffer geschickt, noch wäre sie im Traum darauf gekommen, so etwas zu tun - was die Musik betreffe, so habe sie etwas gegen den schlechten Geschmack ihrer Tochter, erzählte sie der schwedischen Polizei; nie würde sie auf den Gedanken kommen, sie darin auch noch zu bestärken. Wolf kehrte untröstlich zu seiner Einheit zurück und wurde ermüdenden, aber richtungslosen Verhören des militärischen Abwehrdienstes unterworfen. Ein Taxichauffeur meldete sich nicht, obgleich ihn Polizei und Presse in ganz Deutschland aufforderten, sich zu melden, und ihm in absentia eine Menge Geld für seine Geschichte geboten wurde. In den Passagierlisten, Computern und Datenbänken der anderen deutschen Flugplätze, von Köln ganz zu schweigen, fand sich keine passende Reisende aus Schweden oder sonst woher. Beim Arbeits-Attache klingelte es nicht beim Anblick von Fahndungsfotos der bekannten und unbekannten Terroristinnen samt dem Tross der ›Halb-Illegalen‹ ; dabei war er fast wahnsinnig vor Kummer und hätte jedem geholfen, um nur irgendetwas zu tun, und sei es nur, um selbst das Gefühl zu haben, zu etwas nutze zu sein. Er konnte sich weder daran erinnern, was für Schuhe das Mädchen angehabt, noch, ob sie Lippenstift, Parfüm oder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher