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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Haare streng nach hinten gelegt, nicht eine Strähne stand ab, eine Nickelbrille auf der Nase, mehr Bibliothekar als Künstler. Es folgte William »Bill« Bulldoss aus den USA – der Schöpfer der größten Praline der Welt war überraschenderweise ein kleines Männchen, um nicht zu sagen: ein Zwerg. Aus Brasilien kam die erste Frau, Jana Elisa da Costa, eine junge, dunkelhaarige Schönheit, deren Augen in Groschenromanen sicher als glutvoll beschrieben worden wären. Sie trug eine schlichte schwarze Kochuniform und trat ganz ohne große Geste auf. Ihr Lächeln war schüchtern und vielleicht gerade deshalb bezaubernd.
    Dann war es Zeit für van der Elst, der die Menge mit einem »Goedemiddag« herzlich begrüßte, kein Anzeichen des Schocks mehr in seinem Gesicht, stattdessen Siegesgewissheit.
    Was Corporate Design bedeutet, zeigte Pierre Cloizel aus Frankreich, genauer gesagt aus Bayonne, dem alten Herzen der Schokoladenindustrie. Der Erbe des mächtigen Marelle-Konzerns, der auch Produktionsstätten im belgischen Knokke-Heist, in Amsterdam, London und sogar Tokio hatte, trug eine Kochjacke, auf welcher ein farbenprächtiger Schmetterling zu sehen war, nicht gedruckt, sondern gestickt und mit Swarovski-Kristallen geschmückt. Cloizel verbeugte sich höflich und elegant, sein Lächeln war fein. Die blonden Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, selbst das Band zierte der Schmetterling, welcher auf der erfolgreichsten Schokoladenlinie des Hauses prangte.
    Auch Deutschland schickte eine Frau ins Rennen, Vanessa Hohenhausen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, die als Patissière im Sternerestaurant »Zur Alten Eiche« arbeitete. Eine Frau mit einem Lachen, nicht nur auf ihren Lippen, auch in den Augen. Ihre Korkenzieherlocken wurden nur notdürftig von einem Haarband zusammengehalten, ihre Brille war regenbogenbunt, ihre Lippen strahlend lila.
    Italien hatte Ottavio Bertinotti entsandt, einen Mann, der in einem Armani-Katalog nicht fehl am Platze gewesen wäre. Volles schwarzes Haar, perfekter Dreitagebart, gebräunte Haut und ein austrainierter Körper, der in einem Maßanzug steckte.
    Und schließlich die Nummer 10, der absolute Außenseiter, die Überraschung schlechthin: Jón Gnarr aus Kópavogur in Island, einem Land ohne Pralinentradition, und ein Mann, der niemals zuvor international Aufmerksamkeit erregt hatte. Er arbeitete in einer kleinen Bäckerei, die kaum mehr als Schokoweckchen verkaufte.
    Doch das war es nicht, weswegen Adalbert Bietigheim den jungen Glatzkopf nun so fassungslos anstarrte.
    Der Grund war ein anderer.
    Jón Gnarr war der Mann, der ihm gestern Arm in Arm mit Beatrice Reekmans auf dem Brügger Grote Markt begegnet war.
    Alle Teilnehmer wollten Bietigheim die Hand schütteln und einen guten Eindruck machen. Alle bis auf Jana Elisa da Costa aus Brasilien, die wortlos die Pressekonferenz verließ. Als Letzte trat die deutsche Teilnehmerin Vanessa Hohenhausen zu ihm.
    Mit beiden Händen ergriff sie seine Rechte. »Ich soll Sie ganz herzlich von meinem Chef Julius Eichendorff grüßen, Sie kennen sich wohl.«
    »Seit Jahren verbindet uns das Band der Freundschaft«, entgegnete Bietigheim erfreut.
    »Ich soll Ihnen sagen –«, sie grinste, »also wirklich, das kommt von Julius! Ich soll Ihnen sagen, dass ich die beste Patissière bin, die er je hatte und je haben wird. Und …«, jetzt grinste sie noch breiter, »Sie sollen mich hart rannehmen.« Vanessa Hohenhausen lachte schallend. »Also nicht so , nicht was Sie jetzt meinen, sondern im Wettbewerb.«
    »Selbstverständlich.«
    »Aber ich sage Ihnen jetzt schon: Ich werde Sie umhauen! Also, meine Pralinen werden Sie umhauen. Damit überstehe ich die Vorrunde bestimmt, und dann bin ich die glücklichste Patissière auf der ganzen Welt.«
    Die Weltmeisterschaft bestand aus Vorrunde, Halbfinale, Finale – und nach jeder Runde schieden Kandidaten aus. Nur vier kämpften schließlich um die Krone im härtesten Finale, das die Chocolatierwelt je gesehen hatte – das war Professor Dr.   Dr.   Adalbert Bietigheim seinem Ruf schließlich schuldig.
    Die junge Ahrtalerin zog einen Beutel aus ihrer Tasche. »Das ist noch von Julius, selbst gebackene Hundekuchen für Benno. Keine Bestechung, sagt er! Benno sitzt ja nicht in der Jury.«
    »Sagen Sie ihm bitte vielmals Dank – auch im Namen von Benno.«
    Adalbert wollte seinem Foxterrier eine Kostprobe geben, doch mit einem Mal wurde er von einem rüpelhaften Polizeilakaien zur Vernehmung
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