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Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Die leise Stimme des Todes (German Edition)

Titel: Die leise Stimme des Todes (German Edition)
Autoren: David Kenlock
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Unfallhergang in Erinnerung zu rufen, aber seine Konzentration ließ mit jeder Minute nach. Schließlich gab er es auf. Kurz darauf war er eingeschlafen.
     
    3. Kapitel
     
    Leichter Nieselregen fiel vom trüben Himmel und durchnässte die Trauernden, die zum Waldfriedhof gekommen waren, um Manfred Weber die letzte Ehre zu erweisen. Die Welt schien nur noch aus grauen Farben zu bestehen, daran änderte selbst das Grün der Blätter an den hohen Eichen nichts – selbst die Bäume wirkten in diesem Licht seltsam kraftlos.
    Katherine stand etwas abseits, da sie nicht zur Familie gehörte. Sie trug ein schlichtes schwarzes Leinenkleid. Schwarz war eine Farbe, die sie nicht mochte; deshalb hatte sie nichts Passendes in ihrem Kleiderschrank gefunden. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als zwischen zwei Krankenhausschichten zu einer nahe gelegenen Boutique zu fahren und sich ein angemessenes Kleid zu kaufen.
    Als die Trauergemeinde in der kleinen Kapelle die Trauerandacht vollzog, hatte noch die Sonne geschienen, aber jetzt am offenen Grab wehte ein eiskalter Wind und der feine Nieselregen hatte in kürzester Zeit dafür gesorgt, dass Katherine, die keine Jacke dabei hatte, vollkommen durchnässt war und erbärmlich fror. Ihre sorgfältig frisierten Haare hingen ihr strähnig in die Stirn und ihr dezentes Make-up war inzwischen verlaufen. Sie machte sich keine Illusionen darüber, wie sie jetzt wohl aussah, aber eigentlich war das nicht wichtig. Hier wurde ein Mensch zu Grabe getragen. Niemand würde darauf achten, ob ihre Wimperntusche verschmiert war oder nicht. Wenn nur der Wind nicht gewesen wäre. Katherine hoffte, dass die Beerdigung bald vorbei war und sie ins Trockene kam, aber danach sah es nicht aus. Der junge Pfarrer, der neben dem Sarg stand, machte nicht den Anschein, als wolle er sich kurz fassen.
    Aus den Augenwinkeln warf Katherine einen Blick hinüber zu Renate Weber. Die Witwe wirkte ruhig, aber man sah ihr an, dass sie nur mühsam die Fassung bewahrte. Zwischen all den Regentropfen, die über ihr Gesicht liefen, waren Tränen, die stumm, mit zusammengepressten Lippen, geweint wurden. Webers Söhne mit ihren Frauen und Kindern standen neben ihr, hielten sie auf beiden Seiten an den Armen gefasst und versuchten, ihr Trost zu spenden.
    Hinter und neben der Familie hielten die Anwesenden die Köpfe gesenkt. Manfred Weber war beliebt gewesen, und es hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden, um von ihm Abschied zu nehmen. Katherine schätzte, dass es an die fünfzig Personen waren, die ebenso wie sie hier im Regen standen und froren.
    „Lasst uns beten“, drang die Stimme des Pfarrers in Katherines Bewusstsein. Sie faltete die Hände und murmelte leise das Vaterunser mit. Als das Gebet vollendet war, traten die Sargträger ans Grab und ließen Manfred Weber in seine letzte Ruhestätte hinab.
     
    Die Gelegenheit, mit der Witwe über den Tod ihres Mannes zu sprechen, ergab sich, als die meisten Trauergäste hastig zu ihren abgestellten Fahrzeugen eilten, um dem immer stärker fallenden Regen zu entkommen.
    Renate Weber stand allein mit gefalteten Händen und hängendem Kopf vor dem frischen Erdhügel und starrte ins Nichts, als Katherine auf sie zutrat.
    „Bitte entschuldigen Sie, Frau Weber.“
    Der Kopf mit den braunen, von Silberfäden durchzogenen Haaren fuhr hoch. In den Augen der Frau standen keine Tränen mehr, aber sie wirkte, als sei sie gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwacht. Schließlich spiegelte sich Erkennen in den braunen Augen.
    „Frau Doktor Tallet.“ Sie seufzte. „Schön, dass Sie gekommen sind.“
    „Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen.“
    Zögernd streckte Katherine ihre Hand aus, die Renate Weber mit beiden Händen umfasste und festhielt. Katherine zog die Hand nicht zurück. „Ich habe Ihren Mann sehr gemocht.“
    Renate Weber lächelte, und das Lächeln veränderte ihr Gesicht. Es bekam einen Glanz, der Katherine verstehen ließ, warum Manfred Weber sich vor über dreißig Jahren in diese Frau verliebt hatte.
    „Auch Manfred mochte Sie. Er sagte immer zu mir: .“
    „Ich habe seine Art bewundert, selbst den schlechten Dingen im Leben noch etwas Gutes abzugewinnen. Es ist selten, dass man einem Menschen begegnet, der einen derartigen Optimismus ausstrahlt. Ich hatte das Gefühl, es
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