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Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition)

Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition)

Titel: Die Legende von der Schlafhöhle (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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vierschrötig, mit kurzgelocktem schwarzen Haare, mit einem plumpen, aber nicht unangenehmen Gesicht, auf dem die Züge von Heiterkeit und Anmaßung geschrieben standen. Von seiner herkulischen Gestalt und seiner großen Stärke hatte er den Spitznamen Brom Bones erhalten, unter dem er allgemein bekannt war. Berühmt war er durch seine große Kenntniß und Geschicklichkeit in der Behandlung der Pferde, er war so flink zu Roß wie ein Tatar. Bei allen Wettrennen und Hahnengefechten war er der Erste, und vermöge der Ueberlegenheit, die man im bäuerlichen Leben an körperlicher Stärke erlangt, war er der Schiedsrichter in allen Streitigkeiten, wobei er seinen Hut auf eine Seite setzte und seinen Bescheid mit einem Gesicht und Tone gab, die keinen Widerspruch und keine Berufung zuließen. Immer war er zu Streit und Neckerei bereit, aber er hatte mehr Muthwillen als bösen Willen und bei aller seiner Rohheit doch im Grunde einen Anstrich von guter Laune.
    Dieser rohe Held hatte sich die schöne Katharine zum Gegenstand seiner ungeschlachten Galanterien auserwählt; und obgleich seine verliebten Tändeleien einigermaßen den Liebkosungen und der Zärtlichkeit eines Bären glichen, so flüsterte man sich doch hier und da zu, daß sie seinen Bewerbungen nicht ganz abgeneigt sei. Ausgemacht ist es, daß sie seinen Nebenbuhlern als Signal galten, sich zurückzuziehen, und daß sie keine Neigung fühlten, einen Bären in seinen Liebesaffairen zu stören. Wenn man sein Roß irgend einmal in einer Sonntagsnacht an van Tassels Thüre angebunden sah, so war dieß ein sicheres Zeichen, daß sein Herr darin auf der Freiern war, und alle Bewerber zogen mißmuthig vorüber und nach einer anderen Himmelsgegend.
    Dieß war nun der furchtbare Mann, mit dem es Ichabod Crane zu thun hatte; ein stärkerer Mann als er würde nach reiflicher Betrachtung sich zurückgezogen haben, ein verständigerer in Verzweiflung gerathen sein. Er aber, ein glückliches Gemisch von Geschmeidigkeit und Beharrlichkeit, war an Form und Geist wie ein biegsames Rohr, nachgiebig, aber zähe; wenn er sich auch bog, so brach er doch nicht, und wenn er auch dem geringsten Druck nachgab, so war er doch im Moment wieder obenauf, richtete sich empor und trug seinen Kopf so hoch wie immer.
    Offen gegen seinen Nebenbuhler zu Feld zu ziehen, würde Tollheit gewesen sein, denn der war nicht der Mann, der sich in seinen Liebeshändeln irre machen ließ, so wenig wie der stürmische Liebhaber Achilles. Deßhalb ging er in seinen Bewerbungen in ruhiger und einschmeichelnder Weise vor. In seiner Funktion als Singmeister machte er häufig Besuche in dem Farmhause und hatte dabei von der Einmischung der Eltern, die so oft ein Stein des Anstoßes für Liebende ist, nicht das Geringste zu fürchten. Balt van Tassel war eine gefällige, nachsichtige Seele; er liebte seine Tochter sogar noch mehr als seine Tabakspfeife und ließ sie, als ein vernünftiger Mann und vortrefflicher Vater, nach Gefallen ihren Weg gehen. Seine fleißige kleine Frau aber hatte genug zu thun, ihren Haushalt zu besorgen und ihr Federvieh in Ordnung zu halten, denn ihre Meinung war, Enten und Gänse seien närrisches Volk und müßten in Aufsicht gehalten werden, die Mädchen aber könnten für sich selbst sorgen. Während nun die geschäftige Frau im Hause herum trollte oder an ihrem Spinnrad an einem Ende des Säulenganges saß, schmauchte der ehrliche Balt seine Pfeife am anderen und beobachtete das Thun eines kleinen hölzernen Kriegers auf dem Scheunendach, der, mit einem Schwert in jeder Hand, mächtig gegen den Wind focht. Unterdessen betrieb Ichabod seine Sache mit der Tochter, bald an der Quelle unter der großen Ulme sitzend, bald mit ihr in der Dämmerung schlendernd, welche den Gesprächen Liebender so günstig ist. Ich muß gestehen, daß ich nicht weiß, wie man die Herzen der Frauen gewinnt. Mir sind sie immer Räthsel und Gegenstände der Bewunderung gewesen. Einige scheinen nur einen verwundbaren Punkt oder eine zugängliche Thüre zu haben, während andere tausend Zugänge haben und auf tausend verschiedenen Wegen gewonnen werden können. Ein großer Triumph ist es, die ersteren zu erobern, aber noch ein bei weitem größerer Beweis von Kunst, in Besitz der letzteren zu gelangen, denn hier muß ein Mann, um die Festung einzunehmen, in jede Thüre und jedes Fenster einzudringen suchen. Der, welcher tausend gewöhnliche Herzen gewinnt, ist daher einigen Ruhmes werth; der aber, welcher
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