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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft
Autoren: Kathryn Lasky
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gefielen die Rußflecken. Sie verliehen seinem Gesicht „Charakter“, wie Gylfie sich ausdrückte.
    „Was um Glaux willen ist denn los, Mr s P.?“
    „Ich geb dir gleich Glaux!“
    Soren fiel fast in Ohnmacht. Mr s P. hatte noch nie in so barschem Ton mit ihm gesprochen. Wie Gift spie sie die Worte hervor. Auch die anderen drei Eulen kamen jetzt angeflogen und hockten sich vor die alte Nesthälterin.
    „He, ihr“, sagte Morgengrau munter zu seinen drei Gefährten, „habt ihr grade eben meinen Superlooping gesehen?“
    „Red keine Waschbärkacke!“
    Den Eulen verschlug es die Sprache. Hatte die Blindschlange den Verstand verloren? Sie hatte geflucht! Sie hatte tatsächlich „Waschbärkacke“ gesagt!
    „Was ist denn los, Mr s P.?“, fragte Soren schließlich zaghaft.
    „Was los ist? Schaut mich an! Hört sofort auf, eure Spiegelbilder im Wasser anzugaffen. Ich will euch sagen, was los ist. Ihr macht euren Eltern Schande, das ist los!“
    „Ich hab keine Elter n – schon vergessen?“ Morgengrau gähnte gleichgültig.
    „Umso schlimmer! Du bist der Schandfleck aller Bartkäuze.“
    Morgengrau horchte auf. „Schandfleck?“
    „Allerdings. Und ihr anderen seid nicht besser. Ihr seid dick geworden, träge und eite l – alle vier! Ih r … ih r …“
    Soren duckte sich unwillkürlich.
    „ … ihr seid nicht besser als die niedrigsten Schleimpupser!“ Worauf von einem Ast über ihren Köpfen heiseres Gelächter erscholl. Dort hatte sich eine Schar Möwen niedergelassen. Ihre höhnischen Rufe kräuselten die Wasseroberfläche, bis die Spiegelbilder der vier Eulen verschwammen.
    „Wir verschwinden hie r – und zwar sofort!“, zischte Mr s Plithiver.
    „Und die Krähen? Es ist noch gar nicht dunkel.“
    „Pech!“
    „Sollen wir etwa riskieren, dass uns die Krähen tothacken?“, fragte Gylfie kleinlaut.
    „Wenn ihr hierbleibt, riskiert ihr ein schlimmeres Schicksal.“ Gylfie spürte einen Stich im Magen und wand sich wie unter einem strengen Blick. Ihren drei Freunden erging es nicht anders, in ihren Mägen zwickte es schmerzhaft.
    „Macht euch flugbereit. Und du, Morgengra u …“
    „Jawohl, Gnädigste?“
    „Wir beide fliegen an der Spitze.“
    „Jawohl, Gnädigste!“ Der große Bartkauz bückte sich, damit Mr s Plithiver in sein Schultergefieder schlüpfen konnte.
    Die alte Nesthälterin hatte den Eindruck, dass ihre Strafpredigt Morgengrau am meisten erschüttert hatte. Und weil er stets an der Spitze flog, so ihre Überlegung, wollte sie in seiner Nähe sein, um ihn auf Kurs zu halten. Er war ein Großschnabel und ein Sturkopf, da musste man hart durchgreifen. Was war das bloß für eine Welt, in der eine alte, blinde Nesthälterin einem Bartkauz sagen musste, wo es langging? Einem „Himmelstiger “ – ha!
    Als Morgengrau eine zweite Runde über dem See flog und dabei in Schräglage ging, zweifellos, um ein letztes Mal sein Spiegelbild zu bestaunen, wusste Mr s P., dass ihre Vorsicht angebracht gewesen war. Und hörte sie ihn nicht auch leise singen?
    Schwingen in silbern gefiederter Pracht,
Scharfe Augen mit goldenem Schein,
So segelt er anmutig durch die Nacht,
Kein Vogel könnte schöner sein.
Oh Morgengrau, wie herrlich bist du,
Durchquerst die Lüfte ohn’ Rast und Ruh.
Wir priesen dich gestern,
Wir preisen dich heut,
Wir preisen dich stets und für alle Zeit.
    Mr s P. richtete sich hoch auf und gab mit dem Kopf einer über ihnen fliegenden Möwe ein Zeichen. Platsch! , machte es und ein großer weißer Klecks landete auf den „Schwingen in silbern gefiederter Pracht“.
    „Was soll das denn, beim Glaux?“, entfuhr es dem verdutzten Morgengrau.
    „Sie mögen dich eben. Angeblich bringt das Glück. Also freu dich drüber.“
    Morgengrau flog quer über den See und weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

In der Eisklamm

    Kaum hatten sie die Spiegelseen hinter sich gelassen, schlug das Wetter um, als hätte der Winter nur auf sie gewartet. Der eisige Wind brachte Windböen und Graupelschauer mit sich, Hagelkörner prasselten unbarmherzig auf sie nieder. Die abgerundeten Kuppen der Schnabelberge wichen schrofferen Felsgipfeln, von denen unberechenbare Luftströmungen emporstiegen. Eis verkrustete ihre Schnäbel, und schon nach kurzer Zeit wurde Gylfie vom Kurs abgetrieben. Zum Glück bekam Morgengrau das mit und flog an ihre Seite.
    „Bleib in meinem Windschatten, Gylfie!“, übertönte der Bartkauz das Brausen des Windes. Dann drehte er sich nach den anderen um: „Ihre
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