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Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Titel: Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
Autoren: Pierre Grimbert
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war schon weit fortgeschritten. Dennoch war Eryne sicher, ihre Eltern noch wach anzutreffen. Ihre Mutter würde im eurydischen Buch der Weisen lesen und ihr Vater an einer neuen Komödie schreiben, ein Glas juneeischen Grünwein neben sich. Es war schon rührend, wie sie sich um sie sorgten und bis spät in die Nacht aufblieben, als wäre sie noch ein kleines Mädchen. Trotzdem würde sie ihnen gründlich ins Gewissen reden müssen. So ging es jedenfalls nicht weiter!
    Als sie ausstieg, schlug ihr die kühle Nachtluft entgegen. Mit einem Wink entließ sie den Kutscher, der ihr einen Abschiedsgruß zurief und die Pferde in den Stall brachte. Eryne trat an die Tür, die von einer Laterne beleuchtet wurde, und ließ den Klopfer dreimal fallen. Kurz darauf hörte sie eilige Trippelschritte, und in der winzigen Fensteröffnung erschien ein runzeliges Gesicht.
    »Ah, Ihr seid es, Fräulein Eryne!«, erklang eine zittrige Stimme.
    Ein Schlüssel drehte sich zweimal im Schloss, dann wurde die Tür aufgerissen. Eryne wunderte sich über diesen merkwürdigen Empfang. Beate, ihre alte Dienerin, schien völlig außer sich. Was war geschehen?
    »Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«, rief die Haushälterin, während sie die Tür hastig wieder verschloss. »Ich hatte Angst, dass Ihr nicht zurückkommt!«, fügte sie in einem fast hysterischen Ton hinzu.
    »So beruhigt Euch doch, Beate«, sagte Eryne, obwohl ihr mulmig zumute wurde. »letzt bin ich ja …«
    »Eure Eltern sind verschwunden!«, unterbrach sie die alte Frau. »Im ganzen Haus finde ich keine Spur von ihnen!«
    Eryne war wie vom Donner gerührt. Plötzlich erinnerte sie sich an die vielen Schauergeschichten, die sie als Kind gehört hatte. Darin war immer wieder von fanatischen Mördern die Rede gewesen, von Priestern mit kahlgeschorenem Schädel und rotem Gewand, die eines Tages zurückkehren könnten, um Rache zu nehmen.
    »Wie meint Ihr das, sie sind verschwunden? Vielleicht sind sie ausgegangen?«, hörte sie sich fragen.
    »Nein, Fräulein Eryne, nein!«, wimmerte die Dienerin. »Ich habe sie heute Abend gesehen! In der Bibliothek! Der gnädige Herr hat der gnädigen Frau einige Stellen aus seinem Stück vorgelesen, sie haben beide laut gelacht - und als ich wieder an der Tür vorbeikam, waren sie nicht mehr da! Weise Eurydis, sie sind
verschwunden«
    »Aber … Vielleicht sind sie einfach zu Bett gegangen«, sagte Eryne.
    Beate schüttelte energisch den Kopf.
    Eryne glaubte selbst nicht daran. Die Haushälterin hatte das ganze Haus durchkämmt und niemanden gefunden. Aber es gab ein Zimmer, von dem Beate nichts wusste. Bevor sie dort nachsah, wollte sich Eryne lieber noch einmal selbst vergewissern. Sie ging auf die Bibliothek zu, hielt plötzlich inne und machte einen Abstecher in die Schreibstube ihres Vaters, wo sie den Dolch einsteckte, den er in einer Schublade aufbewahrte. Mit zitternden Händen, die Dienerin dicht auf den Fersen, durchquerte sie das Haus und betrat schließlich das Lieblingszimmer ihrer Eltern.
    Es sah aus, als hätten die beiden den Raum soeben erst verlassen. Einige in zierlicher Handschrift beschriebene Bögen Papier waren auf dem Teppich verstreut. Auf einem Tischchen stand ein Tablett mit zwei halbvollen Weingläsern. Lanas Parfüm, das nach Manive-Rosen duftete, hing noch in der Luft.
    »Ihr habt nichts angerührt?«
    Der tonlose Klang ihrer eigenen Stimme überraschte sie selbst. Beates Kopfschütteln half ihr auch nicht, das Geschehene zu begreifen. Wo konnten ihre Eltern nur stecken? Sie hätten sich niemals einfach so auf den Weg gemacht, ohne wenigstens eine Nachricht zu hinterlassen. Und der Gedanke, sie könnten entführt worden sein, ergab auch keinen Sinn. Die Villa glich einer Festung! Die Fenster waren vergittert, die Mauern mit Stacheln besetzt und die Türen mit doppelten Schlössern gesichert, die ein römischer Meisterschmied angefertigt hatte. Reyan und Lana hatten sich schon immer vor der Rückkehr ihrer einstigen Feinde gefürchtet und ihr kleines Liebesnest mit eisernen Schutzvorrichtungen versehen. Doch wer hätte nach so vielen Jahren des Friedens noch geglaubt, dass die Schatten der Vergangenheit sie einholen würden?
    Es gab nur eine Erklärung: Wenn sie weder im Haus waren noch das Anwesen verlassen hatten, mussten sie sich in der geheimen Kammer versteckt haben. In dem Raum, den ihr Vater gebaut und den er nur seiner Familie gezeigt hatte. Dorthin, so hatten sie vereinbart, würden sie sich zurückziehen,
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