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Die Königin von Theben

Die Königin von Theben

Titel: Die Königin von Theben
Autoren: Christian Jacq
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Füße und Hände mit Wasser aus dem heiligen See.
    »Ich muss dem Hohepriester Bescheid sagen … Wartet hier auf mich.«
    Ahotep sah sich neugierig um. Dass sie das Innere des geheimnisvollen Tempels von Karnak endlich einmal zu Gesicht bekam, gefiel ihr, aber gleichzeitig schnürte ihr die Angst vor der Begegnung mit Mut die Kehle zu.
    »Leb wohl, meine Tochter«, sagte Teti die Kleine betrübt. »Wenigstens wirst du unsere letzte Demütigung, die nächste Angriffswelle der Hyksos, nicht erleben. Sie wird Theben überfluten.«
    »Gibst du mir wirklich gar keine Chance?«
    »Leb wohl, Ahotep. Möge die Ewigkeit sanft sein.« Zärtlich umarmte Teti ihre Tochter.
    Als die Königin sich zurückgezogen hatte, näherte sich ein alter Mann Ahotep, der sich auf einen Stock stützte.
    »Bist du die Prinzessin, die es wagt, die Göttin mit den Feueraugen herauszufordern?«
    »Ich fordere sie nicht heraus … Ich bitte sie um ihre Kraft.«
    »Hast du den Verstand verloren?«
    »Im Gegenteil! Es gibt keine vernünftigere Lösung, damit Theben seine Würde und seine Tapferkeit wiedererlangt.«
    »Dir fehlt es jedenfalls nicht daran … Wenigstens weißt du, was du tust!«
    »Sind Priester immer so geschwätzig?«
    Die Hand des alten Mannes schloss sich fester um den Griff seines Stocks. »Wie du willst, Prinzessin … So lerne denn die blutrünstige Löwin kennen, da du es einmal entschieden hast. Und blicke zum letzten Mal zum Licht des Himmels empor.«

7
    E ben noch war Ahotep nur ein ängstliches junges Mädchen gewesen, das fürchtete, in einem verrückten Abenteuer sein Leben zu verlieren. Doch als sie das ironische Lächeln sah, das auf dem Gesicht des alten Priesters erschien, vergaß sie ihre Angst.
    »Sagen uns die Hymnen nicht, dass die Sonne für die Gerechten jeden Morgen wieder aufersteht?«
    »Meinst du, dass du zu den Gerechten gehörst, Prinzessin?«
    »Ja, denn mein einziges Begehren ist es, mein Land zu befreien!«
    »Gut, dann folge mir.«
    Der Diener Gottes ging, seinen Stock rhythmisch auf den Boden stoßend, an einer herrlichen Kapelle aus Kalkstein entlang. Die Flachreliefs an der Wand, die die Wiedergeburt von Sesostris I. feierten, waren von betörender Schönheit. Man sah den Pharao in enger Gemeinschaft mit den Göttern, die ihm die Macht gaben, das ungeteilte Eine in die Vielheit umzuwandeln und dadurch die Provinzen Ägyptens zu schaffen, die zu gleicher Zeit verschieden waren und unteilbar.
    »Ich würde hier gern ein paar Augenblicke stehen bleiben …«
    »Keine Zeit, Prinzessin.«
    Zu ihrem Bedauern musste Ahotep weiter hinter dem Priester hergehen, bis sie einen Garten vor dem Pylon des Haupttempels von Karnak erreichten, den zwei von Sesostris I. errichtete Säulenhallen dominierten. Eine Halle bestand nur aus quadratischen Stützpfeilern, die Säulen der anderen trugen riesige Standbilder des Gottes Osiris mit vor der Brust gekreuzten Armen, in den Händen das Zepter der Auferstehung.
    Vor der Invasion der Hyksos hatte der König hier als ›oberster Ritualmeister‹ die notwendigen Opfer und Reinigungshandlungen durchgeführt, um bei Anbruch des Morgens den verborgenen Gott Amun mit Re, dem schöpferischen Licht des Ursprungs, zu vereinigen.
    »Bedenke den ewigen Morgen auf dieser Erde, Prinzessin, die Insel des Feuers, wo Maat, menschlicher Gegenwart enthoben, noch immer über die Ungerechtigkeit, das Böse und das Chaos siegt.«
    »Also ist nichts verloren!«
    »Kein einziger Pharao wurde gekrönt, seit die Zwei Reiche überwältigt wurden von der Macht der Finsternis. Deshalb haben wir diesen Tempel nicht mehr in der Hand, er wirkt für sich selbst, als ob wir nicht mehr da wären. Heute gibt es keinen Menschen, der die magische Kraft der Götter bezwingen kann.«
    »Warum soll man es nicht versuchen?«
    »Weil Mut unüberschreitbare Grenzen errichtet hat. Wegen unserer Feigheit, wegen unseres Ungenügens, ist die Göttin, die unsere Mutter war, unser Tod geworden.«
    »Und ihr akzeptiert dieses Verhängnis, ohne einzuschreiten?«
    »Wir können nur Rituale und Zeremonien ins Werk setzen, Prinzessin, wir können das Schicksal nicht beeinflussen. Wenn du es wagst, in dieses Heiligtum einzutreten, wirst du nicht mehr herauskommen. Muts Zorn wird dich verbrennen, und es wird nichts als Asche von dir bleiben.«
    Ahotep war fasziniert von der Erhabenheit der riesigen Osirisstatuen, dem in Stein gehauenen Triumph des Lebens über das Nichts. Die göttliche Macht selbst hatte die Hand der
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