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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester
Autoren: Raymond Chandler
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sehe es vor mir, wie er es ausheckt, wie er versucht, sie mit der Leica zu kriegen, und still im Hintergrund der gute Dr. Lagardie, der auf seinen Anteil wartet. Wozu haben Sie mich denn angestellt?«
    »Ich war mir nicht sicher«, sagte sie tonlos. Sie wischte sich wieder die Augen, steckte das Taschentuch weg und sammelte sich für den Aufbruch. »Orrin hat nie Namen genannt. Ich wußte nicht mal, daß Orrin seine Bilder verloren hatte. Aber ich wußte, daß er sie gemacht hatte und daß sie sehr wertvoll waren. Ich kam hierher, um sicherzugehen.«
    »In welcher Sache?«
    »Daß Orrin mich nicht betrog. Er konnte manchmal sehr gemein sein. Er hätte das ganze Geld für sich behalten können.«
    »Warum hat er Sie vorgestern abend angerufen?«
    »Er hatte Angst. Dr. Lagardie war nicht mehr mit ihm zufrieden. Er hatte die Bilder nicht mehr. Die hatte jemand anders. Orrin wußte nicht, wer. Aber er hatte Angst.«
    »Ich hatte sie. Ich habe sie immer noch«, sagte ich. »Sie sind in diesem Safe.«
    Sie wandte ihren Kopf langsam und sah auf das Safe. Sie fuhr sich nachdenklich mit einer Fingerspitze über die Lippen. Sie drehte sich zu mir.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte sie, und ihre Augen beobachteten mich, wie eine Katze ein Mauseloch beobachtet.
    »Wie wär's, wenn wir uns den Tausender teilten? Sie kriegen die Bilder.«
    Sie bedachte es. »Ich kann Ihnen nicht gut so viel Geld geben, für etwas, das Ihnen nicht mal gehört«, sagte sie und lächelte. »Bitte geben Sie sie mir. Bitte, Philip. Leila muß sie zurück haben.«
    »Für wieviel Geld?«
    Sie runzelte die Stirn und sah gekränkt aus.
    »Sie ist jetzt meine Klientin«, sagte ich. »Aber es wäre kein schlechtes Geschäft, sie zu betrügen - für einen guten Preis.«
    »Ich glaube nicht, daß ; Sie sie haben.«
    »Na schön.« Ich stand auf und ging zu dem Safe. Einen Augenblick danach war ich mit dem Umschlag zurück. Ich leerte die Abzüge und das Negativ auf den Schreibtisch - auf meine Seite des Schreibtisches. Sie schaute hin und wollte zugreifen.
    Ich nahm sie, packte sie zusammen und hielt einen Abzug so, daß sie ihn ansehen konnte. Als sie danach griff, zog ich ihn weg. Sie beklagte sich.
    »Aber ich kann nichts sehen, von so weit.«
    »Näher ran kostet Geld.«
    »Ich hätte nie gedacht, daß Sie so ein Gauner sind«, sagte sie ehrlich entrüstet.
    Ich sagte nichts. Ich zündete meine Pfeife wieder an.
    »Ich könnte dafür sorgen, daß Sie sie der Polizei geben müssen«, sagte sie.
    »Versuchen Sie's mal.«
    Plötzlich redete sie sehr schnell. »Ich kann Ihnen einfach das Geld nicht geben, wirklich nicht. Wir - also Mutter und ich - haben immer noch Schulden, wegen Vater, und das Haus ist belastet und -«
    »Was haben Sie Steelgrave für den Tausender verkauft?«
    Ihr Mund ging auf, und sie sah häßlich aus. Sie schloß die Lippen und preßte sie zusammen. jetzt sah ich ein hartes, kleines verkniffenes Gesicht.
    »Sie hatten nur eines zu verkaufen«, sagte ich. »Sie wußten, wo Orrin war. Für diese Information zahlte Steelgrave die Tausend. Gerne. Es ist eine Frage des Zusammenhangs von Indizien. Sie würden das nicht verstehen. Steelgrave ging hin und tötete ihn. Er zahlte Ihnen das Geld für die Adresse.«
    »Leila hat es ihm gesagt«, sagte sie mit einer Stimme, die wie von ferne klang.
    »Leila hat mir gesagt, daß sie's ihm gesagt hat. Falls nötig, würde Leila aller Welt erzählen, daß sie's ihm gesagt hat. Genauso, wie sie aller Welt erzählen würde, daß sie Steelgrave getötet hat - wenn ihr nichts anderes übrig bliebe. Leila ist leichtsinnig und nicht sehr moralisch, typisch Hollywood. Aber sie hat wirklichen Mut, wenn es nötig ist.
    Sie hat nichts übrig für Eisdorne. Sie nimmt kein Blutgeld.«
    Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, und es wurde bleich wie Eis. Ihr Mund bebte und verkrampfte sich, knopfartig. Sie stieß den Sessel zurück und beugte sich vor, um aufzustehen.
    »Blutgeld«, sagte ich ruhig, »Ihr eigener Bruder. Und Sie haben es so arrangiert, daß die ihn umbringen konnten. Tausend Dollar Blutgeld. Hoffentlich werden Sie glücklich damit.«
    Sie stand neben dem Sessel und trat ein paar Schritte zurück. Auf einmal kicherte sie.
    Sie kreischte fast. »Wer kann's denn beweisen? Wer denn wohl? Sie etwa? Wer sind Sie denn? Ein kleiner Schnüffler, ein Niemand.« Sie brach in ein schrilles Gelächter aus. »Sie sind doch schon für zwanzig Dollar zu haben! «
    Ich hatte noch immer das Bündel mit den Fotos in der
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