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Die Kinder vom Teufelsmoor

Die Kinder vom Teufelsmoor

Titel: Die Kinder vom Teufelsmoor
Autoren: Werner Schrader
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tiefer sinken würde.
    Nein, er sank nicht weiter!
    Da schloß er die Augen und betete. Die Nacht kam schwarz mit tiefhängenden Wolken. Er stand in der schaurigen Finsternis, spürte die Hand des Todes auf der Schulter und wurde neu geboren. Als er am Morgen des nächsten Tages wieder um Hilfe schrie, hörte ihn ein Mann, der Libellen fing und sich weit hinausgewagt hatte. Der benachrichtigte einige Bauern, die ihn dann mit langen Stangen und einem Floß retteten.
    Tja, und seitdem ist er ein geistig gesunder Mensch. In kurzer Zeit holte er alles das nach, was er in Kindheit und Jugend versäumt hatte, versuchte sich in mehreren Berufen, war eine Zeitlang sogar Lehrer für Handwerker und ist heute sorglos und zufrieden.« Hannes schwieg, klopfte seine Pfeife aus und steckte sie in die Tasche. Seine Geschichte war zu Ende. Die Kinder schwiegen auch.
    »Gibt es das überhaupt«, fragte Ingelore endlich, »daß ein Verrückter wieder normal wird?«
    »Ja«, sagte Hannes, »wenn seine Gehirnzellen nicht zerstört sind und die Geisteskrankheit nur durch einen Schock hervorgerufen wurde, kommt das vor.«
    »Was ist ein Schock?« fragte Walter.
    »Ein Schock ist ein ganz großer Schreck«, erklärte Hannes. »Du hast doch gehört, daß der Mann als kleines Kind beinah lebendig verbrannt wäre. Er lag in seinem Bett, während rundum die Flammen züngelten und nach ihm griffen. Als dann noch die Deckenlampe auf ihn fiel und seinen Rücken verbrannte, erschrak er so sehr, daß er wahnsinnig wurde.«
    »Hm« sagte Bodo, »und durch den zweiten Schock da im Moor, wo er kurz vorm Abblubbern war, wurde er dann wieder richtig im Kopf?« »Jawohl«, sagte Hannes, »der zweite Schock war ein Segen für ihn.«
    »Also«, fuhr Bodo fort, »da hätte ich mir an seiner Stelle aber viel eher einen Schock verpassen lassen und hätte nicht zwanzig Jahre auf so 'n Zufall gewartet!«
    »Knallkopp!« rief Rolf. »Wenn du durchgedreht bist, kannste dir gar nichts mehr verpassen lassen, dann weißt du doch überhaupt nicht mehr, was los ist!«
    Berti sagte nichts dazu. Ihn hatte die Geschichte mehr ergriffen als alle seine Geschwister, denn er hatte gestern, als Hannes unter der Dusche stand und sich wusch, genau gesehen, daß er zwei große Brandnarben auf dem Rücken hatte, Brandnarben, die aussahen wie Halbmonde.

Bodo in Gefangenschaft

    Hannes hatte Rolf und Berti durch seinen mißglückten Raubzug davon überzeugt, daß man nicht von Einbruch und Diebstahl leben konnte. Er wollte sich nun nach einer Arbeit umsehen, für sich und die Kinder, die ihnen soviel Geld einbrachte, wie sie brauchten, um satt zu werden und keine Not zu leiden. Schon beim Torfwerk, wo er zuerst vorsprach, hatte er Erfolg.
    Nach zwei Stunden kam er mit der Nachricht zurück, etwas Passendes gefunden zu haben. »Kinder«, rief er, »wir sind aus dem Schneider! Ab morgen wird verdient! Ich habe Arbeit für uns alle!« Bodo, der die veränderte Einstellung seiner Geschwister zum Stehlen nicht teilte, sagte spöttisch: »Na, da bin ich aber gespannt. Willst uns wohl als Sklaven verkaufen, was?«
    »Seh' ich so aus?« fragte Hannes. »Hört zu! Da drüben im Torf werk, etwa drei Kilometer von hier, brauchen sie Leute, die den nassen Torf, den die Maschine gegraben und aufgestapelt hat, umschichten, damit er trocknen kann. Das ist keine schwere Arbeit und wird gut bezahlt. Für einen Kubikmeter bekommt man siebzig Pfennig.« »Siebzig Pfennig?« rief Bodo. »Das ist ein Hungerlohn!« »Mensch, halt doch mal die Klappe!« wies Rolf ihn zurecht. »Das kannst du doch erst beurteilen, wenn du weißt, wieviel Kubikmeter du in einer Stunde schaffst! Hat man dir das gesagt, Hannes?« »Ja, natürlich! Etwa fünf oder sechs.«
    »Fünf oder sechs?« rechnete Ingelore. »Das sind ja etwa vier Mark. Das ist doch 'ne ganze Menge!«
    »Ganz meine Meinung«, sagte Hannes. »Nun stellt euch vor, wieviel wir schaffen, wenn ihr alle mithelft!«
    »Oh«, staunte Berti, »da kommt aber ein Haufen Geld raus! Wenn jeder von uns fünf Kubikmeter aufstellt, dann sind das ja neun mal vier, dann sind das ja sechsunddreißig Mark in der Stunde!« »Haha«, knurrte Bodo, »da schüttelt mich aber ein wildes Gelächter! Du kannst doch Willy und das andere kleine Kroppzeug nicht mitzählen! Die stoßen doch höchstens alles wieder um, was wir aufgestapelt haben!«
    »Tun wir nicht!« schrie Walter. »Wir können das besser als du! Du bist doch faul und drückst dich immer nur rum!« »Zankt euch
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