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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter
Autoren: Peter Hoeg
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afrikanischen, die ohne Vorwarnung auf endlose Wanderschaft gehen und mit denen man auf leidlich gutem Fuße leben kann, die aber nie so ganz berechenbar sind. Deshalb wollten wir in den Bauwagen wohnen, um den nötigen Abstand zu haben, falls sie anfangen sollten zu wandern.
    Ich muss mir vorgestellt haben, dass es ewig so weiterginge, mit Tilte und mir in unserm jeweiligen Bauwagen, aber eng beieinander. Obwohl ich ja seit Jahren wusste, dass sie ausziehen würde. Aber als es passierte, war es schlimmer als befürchtet.
    Ich fühlte die Einsamkeit sehr deutlich.
    Es tut mir leid, hier zum Abschied etwas erwähnen zu müssen, das auf seine Weise so traurig ist. Aber es ist wichtig.
    Natürlich kenne ich die Einsamkeit seit langem, vielleicht schon immer, ich habe den Eindruck, dass sie hier war, solange ich denken kann.
    Ich weiß nicht, wie du sie wahrnimmst, vielleicht erlebt jeder die Einsamkeit auf seine Weise. Meine Mutter hat einmal gesagt, für sie spiele der »Solitudevej« im Hintergrund, wenn sie sich allein fühle, obwohl die Melodie doch auch etwas mit Liebe und Vater und ihr selbst zu tun hat. Für mich ist die Einsamkeit eine Person. Sie hat kein Gesicht, aber wenn sie kommt, ist es, als wenn sie sich neben mich setzte oder hinter mich, und das kann jederzeit passieren, auch wenn ich mit andern zusammen bin, sogar mit Conny.
    Wir treffen uns nämlich wieder. Manchmal besuche ich sie in Kopenhagen, wo ihre Freunde mich anstarren, alswäre ich ein unlösbares Rätsel. Das Rätsel ist: Was will Conny mit dem? Und manchmal kommt sie nach Finø. Sehr oft macht mich das Zusammensein mit ihr sehr glücklich.
    Ich weiß nicht, ob du eine Freundin hast. Falls nicht, würde ich gern etwas loswerden. Und zwar, dass du bestimmt noch eine kriegst. Die Erfahrung meines ganzen fünfzehnjährigen Lebens sagt mir, dass die Welt so eingerichtet ist, dass alle einen Liebsten bekommen. Wenn man sich nicht aktiv dagegen sperrt. Wenn du also keine Freundin oder keinen Freund hast und gern jemanden hättest, musst du herausfinden, wo in deinem Innern du dich dagegen sperrst. Und diese Einsicht basiert auf Tiltes und meinen tiefen Studien.
    Aber sogar wenn Conny hier war, kam hin und wieder die Einsamkeit und setzte sich hinter mich. Sie kam deutlicher als je zuvor, und ich verstand es nicht. Bis zu jenem Abend in der Küche des Pfarrhauses.
    Es war im Oktober, in den Herbstferien, Urgroßmutter war zu Besuch. Tilte war auch da, sie hatte Jakob Bordurio dabei. Hans und Aschanti waren aus Kopenhagen gekommen, sie wohnen jetzt zusammen in einer kleinen Wohnung, das Glück lacht ihnen, wie der Kirchenlieddichter schreiben würde, sogar mit den Nachbarn kommen sie aus, obwohl Aschanti die Trommel schlägt und in Trancetanz verfällt und ab und zu auf dem Balkon die rituelle Schlachtung eines schwarzen Hahns durchführt.
    Conny saß neben mir, Vater hatte eben auf einem Pritschenwagen seinen im Stück gebratenen Steinbutt vorgefahren, da sagte Aschanti: »Ich bin schwanger, Hans und ich erwarten ein Kind.«
    Grabesstille erfüllte den Raum, du weißt, ich habe mich schon gründlich über das Phänomen ausgelassen, und eswäre reichlich Gelegenheit gewesen, nach innen zu schauen, wenn man dazu die Geistesgegenwart gehabt hätte. Die Stille wurde erst unterbrochen, als Aschanti sagte, sie fühle, es werde ein Mädchen, und sie habe sich schon für einen Namen entschieden, die Kleine solle nach unserer Mutter benannt werden, also Clara, und dann den guten alttestamentlichen Namen Nebukadnezar erhalten, der in Haiti voll angesagt ist, und natürlich die beiden Familiennamen Duplaisir und Finø. Und dann hatte Aschanti an Bord der kleinen Cessna auf dem Flug nach Finø zum ersten Mal einen kleinen Tritt gespürt, aber sie wollte doch den etwas überholten haitianischen Brauch mit den überlangen Namen etwas modernisieren, kurzum, das kleine Juwel sollte knapp und eingängig Clara Nebukadnezar Flyvia Propella Duplaisir Finø heißen.
    Wie du weißt, sind wir auf Finø, was Namen angeht, so einiges gewohnt, trotzdem entstand nach Aschantis Ankündigung noch eine langgedehnte Pause, alles, was man hören konnte, war Baskers Atem, und auch der ging ein bisschen in Richtung Hyperventilation. Aber daraufhin zog Tilte sie in eine Ecke und erzählte ihr, das sei zwar ein hübscher Name, aber doch eine Spur zu üppig, und es bestehe das Risiko, dass das Baby in den Blick dunkler Kräfte und der Schwarzen Magie gerate, die auf Finø unter der
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