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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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dachte, er hätte mir mit dem Fehdehandschuh ins Gesicht geschlagen.«
    »Das hat er auch getan – auf eine bemerkenswert ungalante Weise. Piero legt sich niemals mit einem Schwächeren an. Das ist unter seiner Würde, weil er weiß, dass er nicht wegen seiner intellektuellen Überlegenheit, sondern allein wegen der Tatsache, dass er Lorenzos Sohn ist, den Kampf gewinnen wird. Stattdessen liefert sich Piero erbitterte Wortgefechte mit seinem Vater und reizt Angelo Poliziano bis zum Funkenflug. Doch Angelo gibt die Hoffnung nicht auf, Piero doch noch Manieren beizubringen. Pieros Kriegserklärung an dich ist also so etwas wie eine Auszeichnung. Er hat dich akzeptiert – nicht als seine Cousine, aber als würdigen Gegner.«
    Wir hatten mein Zimmer erreicht. Giulio öffnete und ließ mich eintreten. Der Raum war viel größer als mein Schlafzimmer in der Casa Vespucci. Vor einem fröhlich flackernden Kaminfeuer standen zwei gepolsterte Sessel.
    Am Fenster, dessen Innenläden noch nicht für die Nacht geschlossen waren, entdeckte ich einen Schreibtisch mit verschließbaren Schubladen und zwei Kerzenleuchtern aus Silber. Neben einem silbernen Tintenfass, einem Bündel gespitzter Federn und einer Ledermappe mit geschnittenem Pergament lag ein Stapel Bücher auf dem Tisch.
    Die Wände des Raumes waren mit indigoblauen Seidentapeten geschmückt, den Fliesenboden bedeckte ein orientalischer Teppich – welch ein Luxus! Über den aufgeschlagenen weißen Seidenlaken und den Kissen des Bettes wölbte sich der goldgewirkte Betthimmel wie ein Segel im Wind.
    Mit erhobenem Kerzenleuchter blieb Giulio in der offenen Tür stehen. Das Feuer im Kamin tauchte sein Gesicht in einen purpurfarbenen Schein. Seine schwarzen Augen mit den langen Wimpern verbargen sich hinter schwermütig gesenkten Lidern. Seine Lippen waren zu einem gequälten Lächeln gepresst, als könnte er auf diese Weise sein schönes Gesicht weniger begehrenswert – weniger sinnlich? – erscheinen lassen. Trotz der unbeschwerten Herzlichkeit, mit der er mich als seine Schwester begrüßt hatte, wirkte er distanziert – unnahbar wie ein heiliger Eremit, der sich vor den Menschen in die wärmende, schützende Höhle seines Selbst zurückgezogen hatte. Wovor fürchtete er sich?
    »Hat Lorenzo dir die Zehn Gebote erklärt?«, fragte Giulio.
    Verblüfft fragte ich: »Was meinst du, Giulio? So etwas wie ›Lächele und schweige während der Staatsempfänge für ausländische Botschafter und vergiss nie: Du repräsentierst die Republik Florenz‹ oder ›Der schönste Schmuck einer Medici sind nicht Perlen und Diamanten, sondern Zitate von Platon‹?«
    Giulio schloss mit einem Tritt die Tür hinter sich und lehnte sich herzlich lachend dagegen. Wie sich sein Gesicht veränderte, als er die unbeschwerte Lebenslust und das Lachen nicht mehr unterdrücken konnte! Seine sinnlichen Lippen waren geöffnet, seine schwarzen Augen glänzten. Wann hatte er zuletzt so ungezwungen gelacht?
    »Lass das nicht Lorenzo hören!«, prustete er und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Er bittet Angelo Poliziano, dein Lehrer zu werden, damit du während der Empfänge eben gerade nicht den Mund zu halten brauchst. Und er wird ein Vermögen in Juwelen investieren, damit du sie mit Stolz trägst.« Er nahm meine Hand und führte mich zum Bett, wo wir uns nebeneinander auf die Brokatdecke setzten. »Mit den Zehn Geboten meinte ich nicht die höfische Etikette, die Angelo Poliziano und Giovanni Pico dich lehren können. Es gibt ein paar einfache Gesetze hier im Palazzo. Befolge sie, und du wirst überleben. Das erste Gebot lautet: Halte Sicherheitsabstand zu Seiner Überheblichkeit!«
    »Ich werde mich bemühen, Giulio«, versprach ich seufzend und freute mich im Stillen über das Grinsen, das ich auf das Gesicht meines Bruders zauberte. »Ich werde mich nicht mit Piero anlegen, ihm nicht widersprechen. Ich werde in seiner Gegenwart meinen Stolz und meine Selbstachtung vergessen, werde mich um Demut und Unterwürfigkeit bemühen …«
    »Versprich nichts, was du nicht halten kannst, Caterina«, winkte Giulio ab. »Wir Medici erkranken im Laufe unseres Lebens an zwei Leiden: an der Gicht, die unsere Körper erstarren lässt, und am Zynismus. Lorenzos Großvater Cosimo und sein Vater Piero starben beide an der Gicht, und auch Lorenzo ist mit zweiundvierzig Jahren schwer krank. Du, Caterina, scheinst von unserem Vater Giuliano die unbesiegbare Lebenslust und die Schlagfertigkeit geerbt
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