Die Jungens von Brug Schreckenstein
verhalten, die Wahrheit gesagt, aber nur soviel, als es ihn anging. Zum erstenmal fühlte er: Jetzt bin ich ein Ritter! — Beim Rex war es sehr eigenartig. Kein Wort über das Vorgefallene, kein Wort des Lobes für seine Haltung, sondern etwas ganz anderes.
„Du mußt mir helfen“, begann Direktor Meyer, im Zimmer auf und ab gehend: „Wenn das nämlich so weitergeht mit euch beiden, dann haben wir im nächsten Halbjahr keine Schule mehr, sondern zwei Gruppen, die sich bis aufs Messer bekämpfen!“
Stephan war platt. Von der Seite hatte er die Sache noch gar nicht angesehen. Aber der Rex hatte recht. Der Rex wußte überhaupt mehr, als alle ahnten.
„Dampfwalze“, so fuhr er fort, „hat dir geholfen, das zu werden, was du jetzt bist. Er ist dabei zu weit gegangen, und nun mußt du ihm helfen!“
Anscheinend machte Stephan ein ziemlich dummes Gesicht, denn der Rex lächelte, als er weitersprach: „Zeig ihm, daß du nicht sein Feind bist!“
Und, nachdem er sich durch einen Blick überzeugt hatte, daß er verstanden worden war, fügte er noch hinzu:
„Fang gleich damit an und schick ihn mir her. Er muß sich bei Graf Schreckenstein entschuldigen!“
Da kam Stephan eine tolle Idee:
„Kann ich das nicht machen?“ fragte er rasch.
Das schien der Rex nicht erwartet zu haben.
„Sieh mal an“, sagte er, „du hast mich besser verstanden, als ich dachte. Wenn du Dampfwalze diesen Gang abnimmst, ist das natürlich der beste Beweis für deine freundschaftliche Gesinnung. Einverstanden.“
Als Stephan wieder draußen war, mußte er fast lachen. Ihm ging es gar nicht so sehr darum, Dampfwalze den Gang abzunehmen, als vielmehr um die Möglichkeit eines Gesprächs mit Mauersäge. Vielleicht konnte er dabei etwas Näheres über das Schicksal der Schule erfahren, vielleicht sogar den zwielichtigen Herrn Klinke kennenlernen. Ihm war zumute wie Sherlock Holmes. Niemand, nicht einmal Ottokar, wußte von seinem Vorhaben. Er hatte alle Trümpfe in der Hand und fühlte sich sehr stark.
Wenn man immer schön die Wahrheit sagt, dachte er, ohne im falschen Moment alles auszuplappern, hat man die besten Möglichkeiten!
Und mit dieser Erkenntnis schritt er sofort zur Tat. Der Graf und Herr Klinke saßen, müde von der Jagd, beim Tee, als Stephan von Jean hereingeführt wurde. „Entschuldigen Sie die Störung“, begann er und machte eine Verbeugung, „ich bringe die Rüstung wieder und möchte mich im Namen der Schule entschuldigen!“
„Du bist also der... ks... der Lausebengel!“ fuhr Mauersäge ihn an, ohne von seiner Tasse aufzuschauen.
„Nein, Graf, ich habe die Rüstung nicht genommen, ich bringe sie nur wieder!“ antwortete Stephan unbeirrt.
Da setzten die beiden Herren ihre Tassen ab und schauten ihn groß an.
„So? Und warum bringt der sie nicht, der sie genommen hat?“ wollte Herr Klinke wissen, und Stephan fand allein schon seine Stimme äußerst unangenehm.
„Der kann nicht, der wird gerade dafür bestraft“, phantasierte er munter drauflos.
Das schien die Herren zu beruhigen, jedenfalls wurden sie sofort freundlicher.
„Und du entschuldigst dich für ihn? Das ist sehr lobenswert!“ sagte Mauersäge, ohne daß er schalten mußte. „Wenn du ein Stück Kuchen willst, dann setz dich zu uns!“
Stephan machte eine zweite Verbeugung und nahm Platz. Daß Jean ihm noch ein Gedeck bringen mußte, freute ihn besonders, weil der draußen so pampig gewesen war.
Jetzt heißt’s auf Draht sein! dachte er und schaute sich um, während Jean ihm widerwillig einschenkte.
Der Raum war voll von alten Bildern, die meist Personen darstellten, die den Nasen nach zum Geschlecht Mauersäges gehören mußten. Alles wirkte alt und verstaubt. Aber gerade in dieser Umgebung nahm sich der fette Klinke besonders unsympathisch aus. Sehr freundlich fragte er:
„Was sagen denn eure Eltern dazu, daß ihr nie nach Hause kommt?“
Stephan merkte sofort, worauf er hinauswollte.
„Oh, denen ist das gar nicht recht“, gab er scheinheilig zur Antwort.
„Ist ja auch auf die Dauer kein Zustand!“ bemerkte der Fette zu Mauersäge.
„Sehr richtig“, schaltete der, „die Jungen kommen hier nur auf... ks... nur auf dumme Gedanken!“
Und während Stephan scheinbar ganz in seinen Teller vertieft war, flüsterte Klinke, so daß er es nicht hören sollte:
„Sie täten auch in dieser Hinsicht ein gutes Werk!“
Die Sache war also ernst, und Stephan beugte sich, in der Hoffnung mehr zu erfahren, immer tiefer
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