Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jäger des Roten Mondes

Die Jäger des Roten Mondes

Titel: Die Jäger des Roten Mondes
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
vor, um sich der ersten menschlichen Gestalt zu stellen … Und starrte in ein unbestreitbar japanisches Gesicht: ein hageres Gesicht mit Hakennase und flinken, wachsamen dunklen Augen, ein kurzer, sehniger Körper im Gewand eines Samurai vor vierhundert Jahren. Seine lange, gebogene Klinge war in der klassischen Men- Haltung über den Kopf erhoben, und Dane wußte in dieser Sekunde, daß dies das Gesicht des Mannes war, dessen Schwert er trug. Für einen Moment ließ ihn die Erkenntnis auf der Stelle erstarren, aber dann tauchte dasselbe Gesicht in perfekter Verdoppelung hinter der Schulter des anderen auf und zeigte ihm, daß er keinem Geist gegenüberstand. Ein Jäger hatte einfach beschlossen, wie ein Ritter zuweilen die Rüstung eines tapferen gefallenen Gegners trug, das Gesicht eines Mannes anzunehmen, der seit vier Jahrhunderten tot war.
    Das Schwert des Pseudo-Samurai war hoch über den Kopf erhoben. Als es niederfiel, schnellte Danes alte Samuraiklinge – die ursprüngliche? – hoch, um sie aufzufangen. Die beiden Klingen streiften einander, so daß der nach unten gerichtete Schlag abgelenkt wurde und harmlos an Danes Ellenbogen vorbeipfiff. Dann sauste Danes Schwert scharf herab. Eine halbe Sekunde lang dachte er, sein Schlag hätte das Ziel verfehlt, aber dann erschien eine feine rote Linie auf der Stirn, wo die rasiermesserscharfe Klinge getroffen hatte. Blut quoll hervor, und die Menschengestalt schwankte und fiel auf ihr geliehenes Gesicht.
    Leben sie so lange? ging es Dane durch den Kopf. Oder filmen sie die Jagden; haben sie irgendwo vierhundert Jahre alte Filme, die zeigen, wie ein tapferer, einsamer Erdenmann starb? Hinter sich hörte er platschende Geräusche und Arataks tiefes, knurrendes Brüllen, aber er war zu sehr in Bedrängnis, um sich umzudrehen. Als er sein Schwert hob, um auf den zweiten falschen Samurai zu treffen, sah er die Schwächen in der Technik des Pseudo-Mannes, die leichte Unsicherheit in Haltung und Griff. Sie kopieren Bewegungen, die sie gesehen haben, dachte er, und nur die einfachsten. Mit meinem Training bin ich eine bessere Imitation eines Samurai als sie.
    Der Jäger griff an, die Klinge über dem Kopf schwingend, genau wie es der andere getan hatte. Dane machte einen langen Ausfallschritt nach rechts, zog das Schwert im klassischen Doh-Schnitt an seinem Körper vorbei, und die rasiermesserscharfe Spitze traf den Körper des anderen genau unter den Rippen. Helles Arterienblut schoß hervor, und das schwere Atmen endete in einem erstickten Keuchen; der Jäger fiel ohne einen Schrei. Ein Mensch hätte Stunden gebraucht, um an diesem Schnitt zu sterben. Ich muß das getroffen haben, was bei ihm die Funktion des Herzens hat.
    Dane spürte plötzlich ein wildes Frohlocken, einen fast schmerzhaften Hoffnungsstich. Sie sind verwundbar. Verdammt noch mal, sie sind doch verwundbar. Sie sind sogar leicht zu töten, wenn man weiß, wie. Aber, lieber Gott! Es ist schwer, das zu erfahren!
    Noch während seine Klinge den Schwung des Schlages abfing, taxierte Dane seinen vierten Gegner und sah sich ohne Überraschung seinem eigenen Gesicht gegenüber. Was auch immer für einen Effekt es vorher auf ihn gehabt hätte, jetzt schien es ihm nur folgerichtig, sogar offenkundig. Vielleicht dachten sie, daß dieser Rianna oder Aratak erwischen könnte, während die Samuraiimitationen mich abservierten. Wie es der eine getan hatte, der Cliff überraschte.
    Aber als Dane dieser Gedanke durch den Kopf ging, unterbrach sein Körper doch nicht für einen Augenblick seine fließende Bewegung. Mit einem scharfen Beugen der Gelenke kehrte er die Richtung der Schneide um. Der Pseudo-Dane kam vorsichtig näher, hielt die Klinge vor der Körpermitte, ungefähr in Danes Position; aber die Spitze war zu niedrig angesetzt. Danes Schwert peitschte im Priestergewand-Schlag nieder, fuhr durch die linke Schulter tief in die Brust; und als der Jäger zu Boden fiel, drehte sich Dane auf den Fersen um und rannte zurück zu den anderen. Die Jäger, die er getötet hatte, erlangten schon wieder ihre ursprüngliche Erscheinungsform: Fleisch, das wie Wasser zerfloß. Wird jemals einer überleben, um davon zu erzählen? fragte er sich. Ist das der Grund, warum sie am liebsten kurz vor der Dunkelheit angreifen?
    Aratak stand am Ufer des Stromes, Speer und Keule waren beide blutbefleckt. Blutlachen waren auch auf der Uferböschung zu sehen, und formlose Körper trieben schon im Strom und zeigten, wo sie gewütet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher