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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
Autoren: Glenda Larke
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türkisfarbene Streifen eingearbeitet waren, was bestätigte, dass er tatsächlich ein Bürger jener Inselgruppe war.
    » Offenbar ist jemand erkrankt. Ich kümmere mich darum«, sagte er mit einer Festigkeit, die vermuten ließ, dass er an Gehorsam gewöhnt war.
    Unglücklicherweise genügte die Autorität, die ich bei ihm spürte, um meine verfluchte Neigung zum Widerspruch zu wecken. Noch einen Moment zuvor hatte es mir gereicht, die Sache zu untersuchen und dafür zu sorgen, dass ich nicht mit hineingezogen wurde. Jetzt, da mir die Möglichkeit gegeben wurde, mich guten Gewissens in mein Zimmer zurückzuziehen, weigerte ich mich, genau das zu tun. Wie schon gesagt, verdreht zu sein war einer meiner Fehler. » Möglicherweise kann ich ja helfen«, antwortete ich höflich. » Ich habe einige Heilmittel bei mir.« Und bevor er irgendwelche Einwände erheben konnte, öffnete ich die Tür zu diesem Zimmer.
    Der Mann, der dort auf dem Bett lag, war der junge unschuldige Kerl mit den hübschen Wimpern, und er war nicht allein. Die Cirkasin war bei ihm. Damit hatte der Südler neben mir nicht gerechnet; ich konnte seine Überraschung spüren. Ich war selbst überrascht, aber mehr noch als das nahm mich der Geruch in dem Zimmer gefangen: es roch nach Silbmagie, die sich, so rein und süß wie Frühlingsblumen, über eine unangenehme Vereiterung legte.
    Die Cirkasin saß auf dem Bett und hatte ein Bein des jungen Mannes auf ihrem Schoß. Sie hatte das Hosenbein hochgeschoben, und wir konnten bereits von der Tür aus den Grund seiner Schmerzenslaute erkennen: ein grünes, eiterndes Geschwür an seinem Knöchel. Mit Hilfe meines Weißbewusstseins konnte ich sehen, wenn auch nur undeutlich, dass es an den Rändern mit roter Dunkelmagie verschwamm. Jetzt wusste ich, wer das Opfer der Dunkelmagie unten im Schankraum gewesen war.
    Es war klar, dass dieses Geschwür wachsen würde, wenn es unversorgt blieb. Verwesung würde sich wie Wundbrand über sein Fleisch ausbreiten, und innerhalb einer Woche wäre der junge Mann tot, weil das gesunde Fleisch buchstäblich von einem einzigen, offenen, nässenden Geschwür weggefressen worden war … keine schöne Weise, die Welt zu verlassen. Ich hatte es einmal miterlebt und wollte es nie wieder mit ansehen müssen.
    Der Mann neben mir packte meinen Arm und sah mich aus schmalen Augen an. » Ich glaube nicht, dass wir hier benötigt werden«, flüsterte er mir ins Ohr. Er nickte der Frau zu. » Entschuldigt die Störung.«
    Er zog mich aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter uns wieder.
    Dann, ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, verschwand er den Gang entlang, den er gekommen war.
    In einer Hinsicht hatte der Versprengte Recht: Wir wurden nicht benötigt. Und ich hatte mich geirrt, was die Cirkasin betraf – sie brauchte keinen Beschützer. Sie hatte bereits all den Schutz, den sie benötigte: ihre Silbmagie. Kein Wunder, dass sie so ruhig und gelassen in den Schankraum der Trunkenen Scholle gegangen war, ohne sich die Mühe zu machen, ein Schwert bei sich zu tragen.
    Ich spürte, wie sich alter Neid in mir regte. Dunkle, trübe Gefühle, die mich schon immer beschämt hatten und die ich dennoch nie ganz beherrschen konnte. Silbmagie. Verdammte Silbmagie.
    Als ich in mein Zimmer zurückkehrte und die Läden wieder öffnete, ließ ich das Fühlen sein und widmete mich wieder dem Denken. Zum einen war ich vollkommen sicher, dass sie den jungen Mann noch nicht gekannt hatte, als sie den Schankraum betreten hatte. Zum anderen musste sie, wenn sie über Silbmagie verfügte, sofort und noch vor ihm selbst begriffen haben, dass er der unglückliche Empfänger dieser Beschwörung von Dunkelmagie gewesen war. Silbbegabte besaßen nicht die Fähigkeit, Dunkelmagie sehen zu können, so wie ich das konnte, aber sie waren geübter darin, den körperlichen Schaden zu spüren, der durch sie angerichtet wurde. Und so war mein nächster Gedanke: Wenn die beiden sich zuvor nicht gekannt hatten und es auch kein Zufall war, dass sie sich ausgerechnet neben diesen jungen Mann gesetzt hatte, so hatte sie es getan, weil sie erkannt hatte, wie sehr er auf ihre heilende Magie, auf ihren Schutz, angewiesen war. Was mich zu dem Schluss führte, dass die Cirkasin genauso verwegen wie hübsch war. Ein Dunkelmeister konnte die Nichtigmachung einer seiner Beschwörungen zwar nicht aus der Ferne spüren, aber wenn er seinem Opfer wiederbegegnete, konnte er nicht
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