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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes
Autoren: Beatrix Mannel
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einzuschwingen.
    Sie wollte nach draußen, die madagassische Nacht spüren und nachdenken. Paula verließ das Zimmer, der Bewacher blieb ihr dicht auf den Fersen. Sie stieg die mächtigen Treppenstufen wieder nach unten zu dem großen Feigenbaum an dem jetzt leeren großen Platz und setzte sich. Sie lehnte ihren Rücken an den Baum und betrachtete den Mond, der ständig von den schnell über ihn hinwegziehenden Wolken verdeckt wurde und dann wieder halbsichelförmig wie ein U dalag.
    Ein Wort mit u. Paula erinnerte sich an ihr Bad im Fluss und an Lázló. Du bist noch nicht tot, ging es ihr durch den Kopf, und es gibt sehr viel mehr Worte mit u als nur »unnatürlich«. U wie unfassbares Ultimatum, u wie unendlicher Urwald, u wie unerschöpfliches Universum, unglaubliche Urquelle. Ein Parfüm für die Insel des Mondes. Dann schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich auf den Geruch der Nacht.

47
    Ylang-Ylang
    Cananga odorata, das Ylang-Ylang-Öl ist lichtgelb, ziemlich flüssig und besitzt einen unvergleichlich feinen, gewürzigen und zugleich an Narcissen und Hyacinthen erinnernden Duft. Daher hat es zur Bereitung feinster Parfüme Anwendung gefunden.
    D ie Kerzen waren schon tief heruntergebrannt, als Paula zum letzten Mal die Zusammensetzung änderte.
    Nachdem sie draußen gewesen war, hatte sie eine ziemlich genaue Vorstellung davon gehabt, wie das Parfüm für die Königin duften sollte.
    Die Kopfnote sollte frisch, mit einer blumigen Note sein, die sie mit Pampelmusen- und Ylang-Ylang-Öl gut erreichen konnte, aber das allein war ihr zu flach. Deshalb wollte sie dazu eine Essenz aus madagassischem Pfeffer geben, aber die hatte sie nicht. Also bat sie Noria, schwarze und rosa Pfefferkörner in dem herbeigeschafften Mörser zu zerreiben, dann mischte sie das Pulver mit dem Rum, schüttelte es und ließ es ein paar Stunden stehen, in der Hoffnung, dass der Rum etwas davon aufnehmen würde.
    Die Herznote wünschte sich Paula rauchig wie die allgegenwärtigen, leicht bitteren Holzfeuer, würzig wie die Gewürznelken, die überall wuchsen, und balsamisch wie Nirina, wie Oud. Die Basisnote verlangte ganz klar nach ihrem letzten Rest Vanilleöl, und zur Abrundung fügte sie noch einige Tropfen Zedernholzöl hinzu.
    Als sie endlich fertig war, reichte sie Noria und Ville neuve das Glas mit ihrer Komposition. Ihre Augen brannten, und ihre Hände zitterten vor Müdigkeit.
    »Bitte sagt offen, was ihr meint, jetzt können wir noch etwas ändern.« Nervös beobachtete Paula die beiden.
    Noria roch zuerst daran, ganz vorsichtig, als könnte sich ihre Nase entzünden, wenn sie zu tief einatmete. Sie reichte Villeneuve das Glas, sagte aber nichts, was Paula in die allergrößte Unruhe versetzte, und sie musste sich zwingen, nicht sofort nachzuhaken.
    Dann beugte sich Villeneuve über ihre Mischung und inhalierte tief.
    Schweigend sahen die beiden sie an.
    »Und?«, fragte Paula und konnte kaum sprechen vor Aufregung.
    »Großartig.« Villeneuve lächelte ihr beruhigend zu. »Soweit ich so etwas beurteilen kann.«
    »Und Noria, was sagst du?«
    »Tsara! Ich habe noch nie ein Parfüm verwendet, aber für mich riecht es wunderbar.«
    »Und findet ihr, es ist einer Königin würdig, denkt ihr dabei an diese Insel?«
    »Unbedingt! Absolut!« Noria und Villeneuve antworteten gleichzeitig.
    Paula gab mit der Spritze einen Tropfen des Parfüms auf Norias Arm und verrieb es dort.
    Dann wartete sie ein paar Minuten und roch daran. Jetzt war es für sie ganz deutlich, ja, da waren Blumen, und da war der Pfeffer, doch die Wärme von Norias Haut zeigte die Mängel ihres Parfüms. Etwas Wichtiges in der Herznote fehlte, da war Paula sicher.
    Noria und Villeneuve protestierten, sie fanden es himmlisch und wundervoll, aber Paula wusste, dass die beiden sie nur ermutigen wollten.
    »Nein, etwas stimmt noch nicht. Ich habe die Zusammensetzung vermasselt. Vielleicht habe ich zu viel Gewürznelke verwendet oder doch nicht genug Vanille.«
    Paulas Augen fühlten sich an, als wäre Sand darin. »Ich muss es noch einmal probieren und das Mischungsverhältnis variieren.«
    »Aber wir haben kein Vanilleöl mehr.« Noria zeigte auf das leere Glasröhrchen.
    »Außerdem geht gleich die Sonne auf. Wir sollten ein paar Stunden schlafen und es uns dann noch einmal vornehmen. Ich bin sicher, du bist nur überreizt von der Arbeit. Du brauchst Abstand von dem allen hier. Als Arzt würde ich dir dringend raten, einen kleinen Spaziergang zu machen, um deine
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