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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen
Autoren: Sarah Lark
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konnte die Verhandlungen mit den Händlern führen. Wenn das Kartell nicht gleich für alle verbindliche Preisabsprachen traf.
    Nora biss sich auf die Lippen. Die Lady hatte Recht, im Zuckerrohrbereich wurde kein Handelshaus auf Jamaika oder Barbados gebraucht.
    »Natürlich gibt es ein paar Kaufleute«, fügte Lady Wentworth schließlich hinzu. »Besonders auf den größeren Inseln, in den Städten. Unsereins deckt sich natürlich im Mutterland mit den wichtigsten Gütern ein …«, mit einer knappen Bewegung umriss sie das wertvolle Mobiliar ihres Hauses, dem die Einrichtung ihrer Plantage sicher in nichts nachstand, die Gemälde an den Wänden und nicht zuletzt ihr prächtiges Hauskleid, dessen voluminöse Rüschen sich über die Armlehnen ihres Sessels bauschten, »… aber es gibt natürlich auch auf den Inseln Schneider, Bäcker, Krämer …« Lady Wentworth’ Ausdruck verriet, was sie von dieser Bevölkerungsschicht hielt. »Natürlich nicht vergleichbar mit einem Handelshaus wie dem Ihres Herrn Vaters!«, beeilte sie sich rasch hinzuzufügen.
    Nora unterdrückte ein Seufzen. Schlechte Aussichten für sie und Simon – zumal sich ihr Liebster auch sicher nicht zum Bäcker, Schneider oder umtriebigen Besitzer eines Kramladens eignete. Nora selbst hätte sich notfalls vorstellen können, hinter einer Theke zu stehen und mit den Frauen von Kingston oder Bridgetown zu plaudern, während sie ihre Waren präsentierte. Aber der scheue, überaus korrekte Simon? Schon bei der ersten wirklich saftigen Klatschgeschichte würde er sich indigniert zurückziehen.
    Simon betrat aufatmend das altehrwürdige Kontor des Thomas Reed am Nordufer der Themse. Es war ziemlich düster, besonders die Räume der Schreiber und Sekretäre waren klein und die Schreibpulte kaum beleuchtet. Den älteren Angestellten fiel es oft schwer, die Zahlen in den Geschäftsbüchern zu entziffern. Lediglich in Thomas Reeds Privatkontor, das bequeme Sitzgelegenheiten für Besucher und Kunden bereithielt, gab es hohe Fenster, die den Blick über den Fluss freigaben. Auch an diesem Tag schien Reed jemanden zu empfangen. Simon vernahm die dröhnende Stimme des Kaufmanns und eine nicht minder laute mit schottischem Akzent, als er sich im Korridor vor dem Kontor aus seinem Mantel quälte.
    »Gott, Reed, nun kommen Sie mir doch nicht mit moralischen Bedenken! Bei uns geht es moderat zu, auf anderen Inseln sind die Gesetze viel strenger. Die Dänen erlauben sogar, dass man widerspenstige Neger lebendig verbrennt! So was ist natürlich nicht die Art aufrechter Briten. Aber Disziplin muss sein. Dann lässt es sich auf Barbados auch als Sklave aushalten.« Der Sprecher lachte. »Ich muss es wissen, ich war schließlich selbst mal einer.«
    Simon runzelte die Stirn. Das klang interessant. Von weißen Sklaven auf den Inseln hatte er nie gehört. Und den Besucher identifizierte er inzwischen auch mithilfe seines Wappens, das etwas aufdringlich eine im Korridor abgestellte Tasche zierte: Angus McArrow – seit Neuestem obendrein Lord of Fennyloch. Simon erinnerte sich, dass Thomas Reed beim Kauf seines Parlamentssitzes vermittelt hatte. Nun schien sich der Schotte, der eine Plantage auf Barbados sein Eigen nannte, zu revanchieren. Die Tasche enthielt ein paar Flaschen besten dunklen Rums, und die Stimmen der Männer hörten sich an, als hätten sie eine davon bereits geöffnet.
    »Kann ich da jetzt wohl reingehen?«, fragte Simon nervös einen der älteren Bürodiener. Er musste schließlich seinen Brief abgeben.
    Der Mann nickte ihm gelassen zu. »Hört sich nicht an, als tauschten sie Geheimnisse aus«, brummte er.
    Simon klopfte vorsichtig, was sein Dienstherr und dessen Besucher vorerst überhörten, weil Reed gerade schallend lachte.
    »Sie, McArrow? Sklave auf den Zuckerrohrfeldern? Unter lauter schwarzen Jungs?« Es klang ungläubig.
    »Wenn ich’s Ihnen doch sage!«
    Simon hörte Gläserklirren. Anscheinend hatten sie sich nochmals nachgeschenkt.
    »Nannte man damals natürlich nicht so, da sprach man eher von Fronarbeitern. Und unter Negern war man auch nicht, die kamen erst später. Aber es lief aufs Gleiche hinaus: Ich schuftete mich fünf Jahre krumm für einen der ersten Pflanzer, und dafür erhielt ich am Ende ein Stück Land. Das haben damals viele so gemacht, bevor man in großem Stil Schwarze auf die Inseln holte. Glauben Sie mir, so mancher heutige Zuckerbaron begann als armer Schlucker. Die meisten geben es bloß nicht mehr zu, erst recht nicht
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