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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs
Autoren: Random House
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Farbton verlieh. Das volle, fast schwarze Haar trug er schulterlang, und im Nacken mit einem geflochtenen Lederband zusammengebunden. Die dichten A ugenbrauen waren so dunkel wie das Haar. Sie betonten seine mandelförmigen, tiefbraunen A ugen auf angenehme W eise und standen über der Nasenwurzel so eng beisammen, dass sie sich fast berührten.
    Rik schien ihre Blicke zu spüren, denn er hielt in der A rbeit inne und drehte sich um. »Habe ich dich geweckt? Entschuldige, das wollte ich nicht.«
    »Ist nicht so schlimm.« Jemina setzte sich auf, zog die Knie dicht an den Körper und kuschelte sich in ihre Decke. Rik hatte eine weiche und wohlklingende Stimme, in dunkler T onlage. Er sieht gut aus . Der Gedanke blitzte wie aus heiterem Himmel hinter ihrer Stirn auf und ließ sie erröten. Obwohl sie mit Rik nicht viel mehr als ein paar W orte gewechselt hatte, fühlte sie sich zu ihm hingezogen. »Ich … ich habe sowieso schlecht geschlafen«, sagte sie schnell.
    »Angst wegen heute?« Rik schaute sie mitfühlend an. Jeminas W angen gewannen noch etwas mehr an Farbe und sie hoffte inständig, dass er es nicht bemerkte.
    »Nein.« Jemina schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen A temzug. »Efta und die anderen Hüter haben die Prüfung unbeschadet überstanden. W arum sollte es mir anders ergehen?«
    Rik antwortet nicht sofort. Er beugte sich vor und versuchte, die kleinen Flämmchen, die über dem trockenen Moos aufzüngelten, durch kräftiges Blasen anzufachen. »Das würde ich mir auch sagen, wenn ich die Prüfung vor mir hätte«, sagte er zwischen zwei A temzügen, ergriff eine Handvoll dürrer Äste und legte sie auf das glimmende Moos. »Es ist wirklich ärgerlich, dass die Hüter uns nichts verraten wollen.«
    »Sie werden ihre Gründe haben.« Jemina machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde es ja bald selbst erfahren.«
    »Und dann darüber schweigen, so wie alle?« Rik schaute sie fragend an.
    »Das kann ich noch nicht sagen.« Jemina zog die Schultern in die Höhe. »Ich denke aber schon. Immerhin bin ich bald eine Novizin. Eine Fast-Hüterin. Da muss ich mich benehmen wie eine echte Hüterin.«
    »Ich werde dich trotzdem fragen, wie es war«, sagte Rik bestimmt und legte zwei dicke A ststücke auf die Flammen. »Vielleicht kann ich herausfinden, warum Galdez mich nicht zur Prüfung zulassen will.«
    Jemina sagte nichts. Sie wollte nicht Partei ergreifen bei einem Zwist, dessen Gründe sie nicht kannte. Sie starrte in die Flammen, die immer höher aufloderten, und versuchte, an gar nichts zu denken.
    »Wie ist sie?«
    Die W orte zogen an Jemina vorbei, als gelte die Frage einem anderen. Das Farbenspiel der Flammen hatte sie so in ihren Bann gezogen, dass sie den Blick nicht abwenden konnte. Kälte, Nebel, Hunger und die Prüfung, all das schien in diesem Moment weit entfernt zu sein.
    »He!« Jemina spürte, wie Rik sie sanft an der Schulter berührte. »Ich habe dich etwas gefragt. W ie ist Efta? Bist du gern bei ihr?« wiederholte Rik
    »Natürlich.« Jemina legte die Stirn in Falten. W as war das für eine seltsame Frage? Sie konnte sich gar nichts anderes vorstellen, als gern bei Efta zu sein. Selbst als diese sie von ihrer Familie fortgeholt hatte und ihr noch fremd gewesen war, war sie gern bei ihr gewesen.
    »Efta ist gut zu mir«, fügte sie hinzu, weil sie spürte, dass Rik noch mehr erwartete.
    »Wie alle …«
    Etwas an der A rt, wie Rik das sagte, ließ Jemina aufhorchen.
    »Was ist mit Galdez?«, fragte sie. »Er ist doch auch gut zu dir – oder?« In Gedanken schalt sie sich eine Närrin, so eine dumme Frage zu stellen. Sich vorzustellen, dass ein Hüter nicht gut sein konnte, überstieg ihre V orstellungskraft. Seit Orekh das V olk der Selketen geeint und das Ritual der Reinheit für jedes Kind eingeführt hatte, gab es im ganzen Land nur gute und hilfsbereite Menschen. Nicht ein einziges dunkles Gefühl trübte das W ohlbefinden derer, die Orekhs Lehre folgten.
    »Galdez ist ein guter Mentor.« Rik setzte sich zu ihr, starrte in die Flammen und seufzte. »Alle Selketen sind gut.«
    »Ja, das sind sie.« Jemina schaute Rik von der Seite her an. »Das größte Geschenk, das Orekh uns hinterlassen hat, ist der Frieden, den wir durch das Ritual der Reinheit bewahren.«
    »Ja, so sagt man.« Rik schaute Jemina nicht an.
    »Aber …?« Sie spürte, dass er noch nicht alles gesagt hatte. Es war seltsam. Sie sprachen von denselben Dingen und doch war ihr, als ob sie aneinander
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