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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog
Autoren: Brigitte Riebe
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also?«, fragte er. »Eines, bei dem Zeugen unerwünscht sind?«
    Lena nickte, obwohl sie zunächst keineswegs begriff, worauf er hinauswollte.
    Seine Augen glitten über ihre Gestalt und verharrten ein paar Lidschläge länger als unbedingt notwendig auf ihrer Taille. Plötzlich wusste Lena, was er denken musste: dass sie einen der zahlreichen herzoglichen Bankerte im Leib trug.
    Über deren Anzahl wurde in der Stadt viel gemunkelt, mehrere Dutzend Kegel sollten es angeblich sein, die Sigmund außerhalb der Ehe gezeugt hatte, lediglich die männlichen Abkömmlinge gerechnet. Gut, dass sie wegen der klirrenden Kälte ein paar Unterröcke übereinander angezogen hatte, die ihre Hüften ausladender machten! Sonst hätte der Hofmeister gleich erkennen können, wie flach ihr Bauch war.
    »Wann ist es denn so weit?« Sein Tonfall war gleich bleibend sachlich, allerdings schwang jetzt ein winziges Quäntchen Wärme mit. Man merkte, dass ihm die Situation alles andere als unvertraut war.
    Anstatt zu antworten, legte Lena beide Hände schützend auf ihren Leib, eine Geste, die sie bei Els beobachtet hatte, als diese mit Sebi schwanger gewesen war.
    Der Blick des Hofmeisters veränderte sich. Sie hatte ihn überzeugt. Ausgerechnet mit einer der ältesten Lügen der Welt!
    »Warte hier!«, sagte er knurrend und zog seinen Mantel zurecht. »Und du auch.« Das klang ungleich freundlicher und war an Hella adressiert. »Greif ungeniert zu, falls du noch hungrig bist! Ich will sehen, was sich machen lässt.«
    »Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?«, sagte Lena, kaum dass er draußen war und sie beide allein blieben. »Dich mit dem Hofmeister einzulassen, diesem alten Lüstling, der garantiert verheiratet ist? Dein Andres wird dich mit bloßen Hände erwürgen, wenn er es erfährt!«
    »Leopold von Spiess ist unglücklich und nicht ganz gesund. Hast du nicht bemerkt, wie schwer er atmet? Und mein Andres muss sich ja nicht sinnlos aufregen, bei der großen Verantwortung, die er ohnehin zu tragen hat.« Hella lächelte. »Außerdem tut er jetzt doch, was du dir so sehr gewünscht hast. Ist das etwa nichts?«
    Lena packte Hellas Hand. »Und was ist das hier?«, fragte sie. »Das hast du gestern Nachmittag noch nicht gehabt.«
    Die Hand wurde ihr rasch entzogen. Hella zuckte die Achseln und schwieg.
    Waren sie nun Freundinnen, die sich alles erzählten, oder nicht? Nicht zum ersten Mal fühlte Lena sich ausgeschlossen, was sie hilflos und gleichzeitig wütend machte.
    »Du musst dich keinen fremden Männern an den Hals werfen, um mir zu helfen«, sagte sie scharf. »Und hör damit auf, mich als Ausrede zu benutzen! Du weißt ganz genau, wie wenig ich das mag.«
    »Ach, Lena, sei doch nicht gleich wieder so streng! Wem schadet es denn, wenn ich ein bisschen freundlich zu ihm bin …«
    Die Tür sprang auf.
    »Dann los!«, sagte der Hofmeister. »Seine Hoheit empfängt dich. Aber mach es kurz! Seine Zeit ist äußerst knapp bemessen.«
    Jetzt war die ganze Aufregung des Morgens wieder da. Sie war am Ziel – sie würde tatsächlich mit dem Herzog sprechen! Lena schaute zu Hella, die ihr aufmunternd zunickte und sich gelassen ein gebratenes Entenbein von der Zinnplatte nahm, an dem sie zu nagen begann.
    Jetzt kommt es einzig und allein auf mich an, dachte Lena.
    Mit staksigem Gang folgte sie dem Hofmeister, ohne die Umgebung richtig wahrzunehmen. Es wurde heller, das zumindest fiel ihr auf, die Anzahl der Wandleuchter nahm zu, die der Kerzen ebenfalls. Mit jedem Schritt erschien ihr alles höher und größer, vielleicht, weil sie das Gefühl hatte, gleichzeitig selbst immer mehr zu schrumpfen.
    »Eines noch«, sagte Ritter von Spiess, als sie vor einer Tür angelangt waren, die sich von außen in nichts von den vielen anderen unterscheid, an denen sie schon vorbeigegangen waren. »Für dich mag es ein Schrecken gewesen sein, so wie die Dinge nun mal liegen. Für Seine Hoheit, den Herzog, dagegen ist es …« Er räusperte sich mehrfach. »… nun sagen wir, nichts Neues. Du musst dich nicht fürchten. Er zeigt sich in der Regel mehr als großzügig und wird auch dich gewiss mit allem ausstatten, dessen du in deiner besonderen Lage bedarfst. Aber hüte dich davor, in seiner Anwesenheit zu jammern und zu greinen! Das nämlich, mein Kind, kann er bei Gott nicht vertragen.«
    Er klopfte, drückte auf die Klinke, schob sie hinein.
    Lena war überrascht, wie klein der Raum war. Zusätzlich zum Kachelofen hatte man noch ein glimmendes
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