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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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verteidigen kann. Ich spreche vom heiligen König. Er wird die Sachsen unterwerfen und für alle Zeiten von Avalon aus herrschen! Dieser Aufgabe weihe ich mein Leben, und ich schwöre, daß ich alles tun werde, um das Ziel zu verwirklichen.«
    Der Merlin nickte. Sie sah in seinen Augen uraltes Leid und eine alterslose Freude.
    »Der König wird kommen«, sagte er, »und er wird für alle Zeit in Avalon herrschen!«
    Viviane seufzte und ging vertrauensvoll zu ihm.
    Er lächelte sie an, dann kniete er nieder, und sie spürte, wie er ihr zuerst auf den einen und dann auf den anderen Fuß einen leichten Kuß drückte.
    »Gesegnet seien die Füße, die dich hierher gebracht haben! Sei verwurzelt in dieser heiligen Erde!« Er legte die Hände über ihre Füße und drückte sie fest.
    Viviane spürte, wie sich ihre Seele durch die Fußsohlen nach unten ausdehnte und tief in den Tor eindrang. Beim nächsten Einatmen kehrte sich die Kraft um. Sie stieg machtvoll auf, und Viviane schwankte wie ein Baum im Wind.
    »Gesegnet sei dein Leib, der heilige Gral und der Kessel des Lebens!« Seine Stimme zitterte. »Gesegnet sei die Erde, aus der wir wiedergeboren werden. Gesegnet sei, was du hervorbringst.« Er berührte ihren Leib, und sie spürte den Kuß durch den Stoff ihres Gewandes hindurch.
    Viviane dachte an den Gral und sah ihn so rot leuchten wie das Blut, das aus dem Leib ihrer Mutter geflossen war. Dann wurde sie der Gral, und ihr entströmte in Schmerz und Hochgefühl das Leben.
    Sie zitterte noch, als er ihre Brüste küßte, die hart und fest von der Milch für das Kind waren.
    »Gesegnet seien deine Brüste, die alle deine Kinder nähren!«
    Die Kraft strömte nach oben, und ihre Brüste richteten sich auf in süßem Schmerz. Sie waren gefüllt für ein Kind, das nicht ihr eigenes war.
    Viviane begriff, sie würde im Laufe der Zeit vielleicht andere bekommen, doch sie würde in gewisser Hinsicht immer jene nähren, die nicht ihre leiblichen, sondern ihre geistigen Kinder waren.
    Der Merlin ergriff ihre Hände und küßte nacheinander beide Handflächen.
    »Gesegnet seien deine Hände, mit denen die Göttin IHREN Willen vollbringen wird!«
    Viviane dachte an Vortimer, dessen Griff um ihre Hand erschlafft war, als er starb. Sie war die Göttin für ihn gewesen, aber sie wollte Leben schenken, nicht Tod. Sie sehnte sich danach, Igraines blondes Haar zu berühren und Morgauses seidige Haut. Und doch, als sie ihre Finger ausstreckte und ihre Kraft spürte, da wußte sie, ganz gleich, ob sie aufgerufen waren, Leben oder Tod zu bringen, sie konnten beides tun.
    »Gesegnet seien deine Lippen, die der Welt das Wort von Avalon verkünden werden!«
    Er küßte sie sehr sanft. Es war nicht der Kuß eines Geliebten. Trotzdem entflammte er sie. Sie schwankte, aber sie war zu fest verwurzelt, um zu fallen.
    »Meine Geliebte, ich mache dich hiermit zur Priesterin und Herrin, damit durch deine Wahl Königen die Herrschaft übertragen wird.«
    Er nahm ihre Hände zwischen seine und küßte die Mondsichel auf ihrer Stirn.
    In ihrem Kopf barst Licht, und ihr Blick für die anderen Welten wurde geöffnet. Zusammen erreichten sie tausend Leben, tausend Welten. Sie war Viviane, und sie war Ana. Sie war Caillean, die die Nebel rief, um Avalon zu verbergen. Sie war Dierna, die Carausius auf dem heiligen Hügel begrub. Sie war jede Hohepriesterin, die je auf dem Tor gestanden hatte. Alle ihre Erinnerungen erwachten, und sie wußte, daß sie von nun an nie mehr allein sein würde.
    Danach kehrte ihr Bewußtsein wieder in die Grenzen ihrer Welt zurück. Sie nahm ihren Körper wahr und stellte fest, daß sie die Füße wieder bewegen konnte. Den Mann vor sich sah sie mit zweifachem Blick. Die Ringsteine glühten, und jeder Grashalm schien von Licht umschlossen zu sein.
    Viviane wußte, so wie Taliesin hatte auch sie sich für immer verändert.
    Inzwischen stand die Sonne hoch über den Hügeln im Osten. Sie blickte hinab auf das Wasser und auf die heiligen Inseln. Sie sah die Menschen von Avalon, die mit staunenden Augen zum Tor hinauf blickten.
    Taliesin reichte ihr die Hand, und sie gab ihm die ihre. Das Werk war vollbracht.
    Der Merlin von Britannien und die Herrin von Avalon stiegen den Tor hinab, um den neuen Tag zu beginnen.

DIE FEE
    Die alte Barke schwimmt auf dem Wasser. Es ist ruhig geworden auf Avalon. Die Nacht singt den zufriedenen Gesang, denn die Göttin weilt in anderen Welten. Es wird dauern, bis die silberne Mondsichel wieder
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