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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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Zipfel seines Bauernkittels überschattet war.
    »Ein wenig Geld für eine Überfahrt nach Rorscahun, Gräfin.«
    Sie füllte Münzen in seine hohle Hand.
    Er hob sein von Pockennarben entstelltes Gesicht. »Gott vergelt’s Euch!«
    »Und du?« Wendelgard versuchte, unter die rußige Kapuze des nächsten Bettlers zu spähen. Er war groß und breitschultrig, trotz seiner gebeugten Haltung. »Was brauchst du?«
    »Dich!« Seine große Hand schoss vor und packte ihr Handgelenk. Ehe Wendelgard sich wehren konnte, hatte er sie an sich gezogen. Sein Mund bedeckte den ihren und hinderte sie am Schreien. Einen Augenblick lang lag sie in seinen Armen wie gelähmt. Erinnerungen überfluteten sie, süße Erinnerungen an vergangene Küsse.
    Küsse! Dieser Mann küsste sie!
    Mit aller Kraft stieß sie ihn zurück. Gleichzeitig hörte sie Ludowig.
    »Bist du wahnsinnig, Kerl?«, brüllte er, doch seine Stimme ging unter in dem wutentbrannten Gebrüll der Menge. Wendelgard fühlte, wie das Wogen sie erfasste und hin und her warf.
    »Werft ihn aus der Stadt! Erschlagt das gottlose Vieh!«
    Mit einer letzten Anstrengung riss sie ihre Hände aus seinem Griff und warf sich in die Arme des Bischofs. »Oh Salomo!«
    Seine Stimme streifte sie wie ein warmer Hauch. »Es ist alles gut, Wendelgard. Sieh hin!« Er legte die Hand unter ihr Kinn und drehte mit sanfter Gewalt ihren Kopf. »Sieh hin!«, wiederholte er.
    Der Mann schlug die Kapuze zurück. Seine tiefe Stimme dröhnte über das Geschrei hinweg. »Erkennt ihr mich nicht?«
    Ganz allmählich wurde es leise, bis schließlich Totenstille über dem Platz lag.
    Wendelgard begann, am ganzen Körper zu zittern. Ihr Blick hing an dem hageren, fremden, bekannten Gesicht des Bettlers. »Udalrich?«, flüsterte sie und bekreuzigte sich. »Udalrich?«
    Er streifte die Kutte ab. Seine Hände zitterten.
    Wendelgard rührte sich noch immer nicht. Sie starrte ihn nur an, ihre Lippen bebten. »Udalrich?«
    Er streckte seine Hand aus. Seine Stimme war rau. »Willst du mich nicht willkommen heißen, Wendelgard?«
    »Aber du bist tot!«
    Er breitete die Arme aus. Wendelgard machte eine Bewegung, als wolle sie flüchten, doch dann ging sie langsam, Schritt für Schritt auf ihn zu. Ihre Körper berührten sich, und plötzlich warf sie mit einem markerschütterten Schrei die Arme um seinen Hals. »Udalrich!«
    Tosender Jubel brandete auf dem Kirchplatz auf, als wolle er zum Himmel selber dringen, während Wendelgard und Udalrich einander vollkommen weltvergessen in den Armen hielten.
    »Herr!«
    Salomo drehte sich unwillig um. Seine Augen glänzten feucht. »Gerald, kannst du nicht …«
    »Herr! Da!«
    Es waren die Welfen. Sie hatten kehrtgemacht und drängten sich jetzt durch die tobende Menge. Salomos Kopf zuckte herum. »Halt Ludowig auf!«, brüllte er, doch die Vorsicht war nicht nötig. Ludowig stand immer noch neben dem Pfaffen. Seine Fäuste öffneten und schlossen sich krampfhaft. Als Gerald die Hand nach ihm ausstreckte, warf er sich herum und schmetterte dem Schmied seine Faust ins Gesicht. Der Angriff kam so unerwartet, dass Gerald zu Boden ging. Wulfhard machte eine Geste, als ob er den Junker zurückreißen wollte, doch der hatte sein Schwert aus der Scheide gezogen und stürzte auf Udalrich und Wendelgard zu. »Nein! Nicht so! Du bist tot! Ich weiß, dass du tot bist!«
    Während die Nächststehenden entsetzt aufschrien, warf Gerald sich herum und schob Ludowig seinen Fuß in den Weg. Der Junker stürzte der Länge nach hin. Sein Schwert schlitterte vor Udalrichs Füße. Mit hochrotem Gesicht sprang Ludowig auf. »Ich … ich …« Sein Blick fiel auf Wendelgard. »Du musst verstehen …«
    Ihre Augen standen weit aufgerissen in ihrem bleichen Gesicht. Als er die Hand ausstreckte, schloss sie ihre Lider und schmiegte sich an Udalrich.
    Ludowigs Arm fiel herab.
    Der Graf schob Wendelgard zu Salomo und trat dicht vor den Junker hin. »Gib mir die Spange!«
    »Was? Ich habe keine Spange! Nein! Ich …«
    »Er hat sie in seinem Beutel am Gürtel, Herr!«
    Ludowig fuhr herum und wollte sich auf Wulfhard stürzen, doch Udalrich hielt ihn mit einer Geste zurück.
    Seine Stimme war eisig. »Gib auf. Die Blutschuld ist zu groß!« Er blickte Wulfhard an. »Du bist bereit, zu reden?«
    »Er lügt, er …«
    Die roten Haare des Aufsehers flammten, als er heftig zu nicken begann. »Der Fluch der Nonne holt ihn ein«, sagte er mit einem scheuen Blick auf den Junker. »Das Weib war ihm hörig, Herr,
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