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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Autoren: John Verdon
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zusammengebissenen Zähne auseinanderzubekommen. »Er soll ruhig aufstehen.«
    Als er sich vorsichtig vom Bett erhob, strömte ihm auf einmal das Blut übers Gesicht. Anscheinend hatte sich beim Aufprall eine Scherbe aus der Flasche gelöst und sich am Haaransatz in Gurneys Schädel gebohrt. Wahrscheinlich war es dieser Anblick, der Nardo davon abhielt, sich sofort auf den Mann zu stürzen, der vor wenigen Minuten einen geisteskranken Serienmörder aufgefordert hatte, ihn abzuknallen.
    »Heilige Scheiße.« Big Tommy starrte das Blut an.
    Eine Überdosis Adrenalin hatte verhindert, dass Gurney die Verletzung bemerkte. Jetzt berührte er sein Gesicht, das überraschend nass war, und als er seine Hand betrachtete, wirkte sie überraschend rot.
    Die explosive Pat musterte Gurney ungerührt. »Sollen wir die Rettung rufen?«
    »Ja, klar. Rufen Sie an«, erwiderte Nardo matt.
    »Für die beiden auch?« Mit einem knappen Nicken deutete sie auf das merkwürdige Paar auf dem Bett. Dann fielen ihr die roten Glasschuhe auf. Sie kniff die Augen zusammen, wie um eine optische Täuschung zu verscheuchen.

    Nach einer langen Pause knurrte Nardo ein lustloses »Ja«.
    »Sollen die Wagen zurückgerufen werden?« Stirnrunzelnd fixierte sie die beunruhigend realen Schuhe.
    »Was?« Er starrte auf die Scherben der zerbrochenen Lampe und das Einschussloch in der Wand dahinter.
    »Unsere Leute fahren Streife und machen Tür-zu-Tür-Befragungen. Sollen wir sie zurückrufen?«
    Die Entscheidung schien ihm unendlich schwerzufallen. »Ja, rufen Sie sie zurück.«
    »Okay.« Damit marschierte sie aus dem Zimmer.
    Mit sichtlichem Widerwillen betrachtete Big Tommy die Verletzung an Dermotts Schläfe. Die Four-Roses-Flasche lag mit dem angeschlagenen Hals nach unten zwischen Dermott und der alten Frau, deren blonde Perücke verrutscht war. Es sah aus, als wäre ihr die Schädeldecke um eine Viertelumdrehung aufgeschraubt worden.
    Beim Anblick des blumigen Flaschenetiketts fiel Gurney die Antwort ein, auf die er vorhin nicht gekommen war. Er erinnerte sich wieder daran, was ihm Bruce Wellstone erzählt hatte. Dermott (alias Mr. Scylla) hatte damit geprahlt, vier Rosenbrustkernknacker gesehen zu haben, und dabei besonders auf die Zahl vier hingewiesen. Plötzlich war Gurney der Zusammenhang klar: vier Rosenbrustkernknacker - Four Roses! Wie der Eintrag »Mr. und Mrs. Scylla« ins Gästeverzeichnis war diese Botschaft ein weiteres Manöver, mit dem Gregory Dermott seinen Scharfsinn demonstrierte und allen bewies, wie leicht es ihm fiel, die blöden, bösen Bullen an der Nase herumzuführen. Fangt mich doch, wenn ihr könnt.
    Eine Minute später kehrte die grimmig effiziente Pat zurück. »Rettung unterwegs. Wagen zurückgerufen. Türzu-Tür-Befragung abgeblasen.« Mit kalter Miene starrte
sie aufs Bett. Die alte Frau stieß in unregelmäßigen Abständen Laute aus, die irgendwie zwischen Wimmern und Summen lagen. Dermott bewegte sich nicht; er war leichenblass. »Sind Sie sicher, dass er noch lebt?«, fragte sie eher desinteressiert.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Nardo. »Vielleicht sehen Sie mal nach.«
    Mit geschürzten Lippen trat sie heran und tastete nach dem Pulsschlag am Hals. »Mhm, lebt noch. Und was ist mit ihr los?«
    »Das ist Jimmy Spinks’ Frau. Schon mal von Jimmy Spinks gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wer soll das sein?«
    Er überlegte eine Weile. »Vergessen Sie’s.«
    Sie zuckte die Achseln, als wäre es ein normaler Teil ihres Jobs, solche Dinge zu vergessen.
    Nardo holte mehrmals bedächtig Luft. »Gehen Sie bitte mit Tommy rauf, um das Haus zu sichern. Jetzt wissen wir, dass das der Scheißkerl ist, der alle umgebracht hat, das heißt, die Forensiker müssen noch mal her und alles durchkämmen.«
    Sie und Tommy tauschten besorgte Blicke aus, doch beide verließen ohne Widerrede den Raum. Als Tommy an Gurney vorbeikam, bemerkte er so beiläufig, als ginge es um Schuppen: »Ihnen steht eine Glasscherbe aus dem Kopf.«
    Nardo wartete, bis sie die Treppe hinaufgestiegen und die Kellertür geschlossen hatten, ehe er sprach.
    »Treten Sie vom Bett zurück.« Seine Stimme war angespannt.
    Gurney wusste, dass es in Wirklichkeit darum ging, sich von den Waffen zu entfernen - Dermotts Revolver in der zerfetzten Füllung der Stoffgans, Nardos Fußgelenkpistole
in Dermotts Tasche und die schwere Whiskeyflasche auf dem Kissen. Doch er folgte der Anweisung, ohne zu protestieren.
    »Also gut.« Nardo hatte sichtlich Mühe,
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